Interview des Außenministers Russlands mit dem Fernsehsender REN TV am 10. März 2016 in Moskau
Frage: In der Ukraine werden in den letzten Tagen russische diplomatische Einrichtungen angegriffen: die Botschaft Russlands in Kiew, die Generalkonsulate in Lwow und Odessa. Was passiert mit den Mitarbeitern unserer Vertretungen? Besteht keine Gefahr für ihre Leben und ihre Gesundheit? Wie fühlen sie sich angesichts dieser Quasi-Belagerung?
Sergej Lawrow: Wir kontrollieren regelmäßig diese Situation, haben Kontakt mit dem Botschafter Russlands in der Ukraine und mit seinen Mitarbeitern. Sie verhalten sich mutig, wie es sich auch für die Menschen gehört, die ihre Heimat vertreten, die sie aber auch nicht im Stich lässt. Die Handlungen der Rowdys, die die Botschaft und die Generalkonsulate Russlands überfielen, darunter ihr Gelände betraten und die russischen Fahnen abrissen (das hat, soweit ich weiß, der Abgeordnete der Obersten Rada der Ukraine namens Parasjuk getan), sind empörend. Und, ehrlich gesagt, sehen wir keine Reaktion der so genannten Völkergemeinschaft darauf.
Als iranische Staatsbürger das Gelände des saudi-arabischen Generalkonsulats betraten, gab es ein großes Aufsehen darum. Wir schlossen uns diesem Prozess an, der auf den bedingungslosen Schutz diplomatischer Vertretungen ausgerichtet war, was auch alle Konventionen vorsehen, die von allen Staaten der Welt unterzeichnet wurden. In diesem Fall sehen wir aber keine Reaktion unserer westlichen Kollegen. Sie bemühen sich derzeit vielmehr um die Forderungen, den Gerichtsprozess gegen Nadeschda Sawtschenko nicht zu beenden, sondern sie freizulassen. Das ist allerdings ein besonderes Thema. Ihre Scheinheiligkeit ist also offensichtlich.
Unsere Mitarbeiter verfügen über alle nötigen Mittel, um keine rechtswidrigen Handlungen zuzulassen, über Schutzmittel. Die Hauptsache wäre aber, dass die „Drahtzieher“ der ukrainischen Behörden solche Handlungen unterbinden. Diese „Drahtzieher“ spielen die entscheidende Rolle für die aktuelle Führung in Kiew. Ich werde dieses Thema mit dem US-Außenminister John Kerry abermals besprechen. Wir haben auch entsprechende Signale an die europäischen Hauptstädte gerichtet.
Frage: Sind die russischen Diplomaten mit allen nötigen Gütern versorgt? Gibt es keine Probleme mit ihrer Lebensmittel- und Wasserversorgung? Soweit ich verstehe, können sie nicht auf die Straße gehen, denn dort ist es ziemlich gefährlich.
Sergej Lawrow: Dort gibt es Versorgungsmöglichkeiten und gewisse Vorräte. Wir haben Beschränkungen für unsere Mitarbeiter verhängt, die ihren Austritt vom Gelände der jeweiligen Vertretung angehen, falls sie keine entsprechende dienstliche Notwendigkeit haben. Ich denke, wir brauchen uns keine Sorgen um unsere Diplomaten und ihre Familien zu machen. Wir unterstützen sie und werden keine rechtswidrigen Handlungen gegen sie zulassen.
Frage: Wird der Ukraine eine Rechnung für den zugefügten Schaden ausgestellt?
Sergej Lawrow: Natürlich werden wir eine Entschädigung verlangen.
Frage: Sie haben eben den Fall Sawtschenko erwähnt. Haben Sie wirklich diese Frage mit dem Außenminister der Ukraine, Pawel Klimkin, besprochen?
Sergej Lawrow: Wir hatten mehr als nur ein Gespräch. Der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin rief mich vor einigen Tagen an und bat mich sehr, einen neuen Besuch ukrainischer Ärzte (bei Nadeschda Sawtschenko) zu erlauben. Ich darf erinnern, dass ein solcher Besuch vor einiger Zeit bereits stattgefunden hatte: Die ukrainischen Ärzte untersuchten Sawtschenko. Damals war auch ihre Schwester mit ihnen. Jetzt, nachdem die Information über ihren neuen Hungerstreik veröffentlicht worden ist, bat Pawel Klimkin, eine neue Ausnahme zu machen und einen neuen Ärztebesuch zu gestatten. Dabei sagte er selbst, er verstehe, dass nicht nur russische, sondern auch internationale Verfahren so etwas nicht zulassen. Wir haben seinen Antrag besprochen und ihn an das Gericht weitergeleitet, das sich mit diesem Fall beschäftigt. Nach der Sitzung am 9. März zeigte sich der Richter bereit, Nadeschda Sawtschenko ein solches Treffen mit den Ärzten zu erlauben. Da aber Sawtschenko während der Gerichtsverhandlung das einzige Ziel hatte, das Gericht zu beleidigen (das konnten alle im Fernsehen sehen, das wurde unter anderem vom Euronews-Sender übertragen), entschied das Gericht am Ende, keine Milderungen für Nadeschda Sawtschenko zuzulassen. Sie hatte, wie gesagt, ständig das Gericht beleidigt. Gestern rief der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin wieder an und äußerte sein Bedauern (er rief mich übrigens aus der Türkei an, wo der Präsident der Ukraine, Pjotr Poroschenko, derzeit zu Besuch weilt). Nicht dass sich Herr Klimkin für Nadeschda Sawtschenkos Verhalten entschuldigt hätte, aber es war ihm offenbar unklar, wieso die Angeklagte in ihrer Situation alle Fragen gegen sich entschieden hatte, falls sie tatsächlich eine ärztliche Hilfe brauchte. Nach unseren Informationen (und sie wird regelmäßig von unseren Ärzten untersucht – ich habe ständig Kontakt mit der Führung des russischen Strafvollstreckungsdienstes) gibt es keinen Verdacht, dass Nadeschda Sawtschenko unheilbar krank wäre. Im Allgemeinen fühlt sie sich normal und treibt unter anderem Sport. Sie habe Herrn Klimkin erklärt, dass wir aus humanitären Gründen alles getan hatten, worum wir gebeten worden waren. Wir hatten eine Ausnahme aus den für solche Fälle geltenden Regeln gemacht. Aber das widerliche und herausfordernde Verhalten Nadeschda Sawtschenkos hat den bereits vereinbarten Ärztebesuch nicht mehr möglich gemacht.
Frage: Wir sehen, dass die Pro-Sawtschenko-Kampagne merkwürdigerweise mit einer Kampagne übereinstimmt, in deren Rahmen behauptet wird, dass russische Sportler Doping einnehmen würden. Haben Sie nicht den Eindruck, dass diese Kampagnen absichtlich organisiert worden sind, um dem Image Russlands zu schaden?
Sergej Lawrow: Ich bin kein Anhänger von Verschwörungstheorien, aber natürlich ist nicht zu übersehen, dass viel zu viele Momente sich überschneiden.
Die Anklage gegen Nadeschda Sawtschenko ist äußerst ernst: Beteiligung an einem vorsätzlichen Mord an russischen Journalisten im Konfliktraum. Für ihre Schicksale haben Kiews westliche Beschützer kein Interesse (das russische Außenministerium verwies darauf mehrmals), aber der Fall Sawtschenko wurde an die große Glocke gehängt und wird jetzt unverhohlen genutzt, um eigene politische Ziele zu verfolgen. Ihr selbst scheint das zu gefallen, und sie spielt dabei aktiv mit. Das ist aber ihre Wahl.
Sie haben völlig recht: Der Fall wird viel intensiver beleuchtet als er es eigentlich verdient. Es sind inzwischen Aufrufe zu neuen Russland-Sanktionen und zur Erstellung einer „Sawtschenko-Liste“ zu hören.
Generell gesehen, werden die Sanktionen zu einem „Ersatz“ für die Politik und Diplomatie. Vor allem ist das am Vorgehen unserer amerikanischen Kollegen zu sehen. In Washington gab es bereits Aufrufe zu antirussischen Sanktionen angesichts der Ereignisse in Syrien, und zwar in einer Zeit, als wir und die Amerikaner auf Initiative beider Präsidenten den Regelungsprozess voranbrachten. Unter anderem wurden in dieser Zeit zwei Resolutionen des UN-Sicherheitsrats verabschiedet. Noch wurde die Internationale Gruppe zur Unterstützung Syriens gebildet, in deren Rahmen in Genf zwei Zielgruppen arbeiten, die für die Förderung der Waffenruhe und der humanitären Hilfe zuständig sind. Allerdings rufen manche Personen in Washington (zwar nicht Vertreter der US-Administration, aber einflussreiche Politiker) auf, uns für Syrien zu „bestrafen“. Obwohl wir, wie gesagt, auf Bitte der legitimen Regierung dieses Landes dort präsent sind. Bis dahin hatten im Grunde alle, die Lust darauf hatten, dieses Land mit Bomben beworfen und dadurch die UN-Charta grob verletzt. Und das war für alle akzeptabel, und niemand machte sich Sorgen wegen der Flüchtlinge, von denen Europa überflutet wurde. Und jetzt werden wir für all das verantwortlich gemacht. Vor einigen Tagen warf Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg uns absolut gewissenslos vor, dass ausgerechnet Russland der Grund für die Zuspitzung der Migrationskrise in Europa wäre.
Es gibt Nadeschda Sawtschenko, es gibt Syrien, es gibt auch viele andere Vorwände, um gegen uns Sanktionen zu verhängen. Hinzu kommen auch andere Themen. Wie Sie gesagt haben, ist das Doping gerade eine sehr populäre Geschichte. Wenn man die Ereignisse im öffentlichen Raum unserer westlichen Partner bedenkt, würde ich mich gar nicht wundern, wenn jemand bald erklären würde, dass Russlands Luft- und Weltraumtruppen und die russische Armee im Allgemeinen samt der russischen Diplomatie „dopen“ würden. Und dann würde man uns die Teilnahme an diesen oder jenen globalen Prozessen untersagen.
Aber Spaß beiseite: In letzter Zeit ruft es viele Fragen hervor, dass unsere führenden, unsere großen Sportlerinnen und Sportler auf einmal beschuldigt werden, Meldonium eingenommen zu haben, das jahrzehntelang ein ganz übliches Präparat gewesen war, das für Sportler und einfache Menschen mit Herzproblemen bestimmt ist. Und plötzlich wurde es als Doping anerkannt. In den letzten Tagen gab es viele Kommentare von Spezialisten und Experten, darunter von den Erfindern dieses Präparats. Sie erklärten sehr ausführlich, dass es sich dabei gar nicht um ein Doping handelt, sondern um ein Mittel, das dem Organismus bei der Ausübung seiner wichtigsten Funktionen hilft und für seine Versorgung mit Wasserstoff und Magnesium nötig ist. Vielleicht hatte Meldonium das „Unglück“, in Lettland, aber damals noch in der Sowjetunion entworfen worden zu sein? Wäre das in einer Zeit passiert, als Lettland schon Teil der so genannten „zivilisierten“ Welt war, dann wäre vielleicht Meldoniums Schicksal glücklicher gewesen? Ich will jetzt nicht böse scherzen, aber ich kann nur ganz ernst unterstreichen: Auf die Expertenschätzungen bezüglich der Notwendigkeit dieses Schritts der Internationalen Anti-Doping-Agentur WADA, die derzeit in den Medien verbreitet werden, gibt es keine Reaktion seitens der WADA-Führung. Meines Erachtens sollten auf solche hochprofessionellen Fragen auch hochprofessionelle Antworten folgen. Hatte die WADA etwa gewisse gewichtige Gründe, die weder wir noch die Expertengemeinschaft kennen? Aber diese Gründe müssten erläutert werden. Vorerst war das einzige, was wir von der WADA-Führung hörten, eine Aussage des Leiters der unabhängigen Kommission dieser Organisation, Richard Pound, wobei er aber nicht die professionellen Motive dieser laut Expertenschätzungen sehr merkwürdigen Entscheidung erläuterte, sondern sagte, dass für Russland der Weg zu den Olympischen Spielen wohl endgültig gesperrt werden könnte, weil es wohl absolut korrupt sei, darunter im Sport. Das ist aber nichts als müßiges Gerede und kein professionelles Gespräch ernster Menschen. Wir respektieren die WADA und wollen hochprofessionell und ehrlich kooperieren, ohne vorlaute Losungen und Versuche, die wissenschaftliche Wahrheit und medizinische Kenntnisse zu usurpieren. Experten gibt es auch bei uns und auch in anderen Ländern.
Natürlich könnte das nichts als eine Koinzidenz sein, aber sie lässt gewisse Gedanken aufkommen. Dennoch rechne ich damit, dass diese Welle bald vorbei ist, weil die Aussichtslosigkeit solcher unbegründeten Angriffe auf uns für alle vernünftigen Menschen in Europa und Amerika offensichtlich ist.
Frage: Es wird behauptet, die ganze Geschichte sei möglich geworden, weil das Mildronat in Russland und ein bisschen in Osteuropa verbreitet sei.
Sergej Lawrow: Ich habe viele Versionen gesehen. Ich habe gelesen, dass dieser Stoff mehrere Jahrzehnte lang für die Vorbeugung der Herzinsuffienz und anderen ganz üblichen Krankheiten erfolgreich eingesetzt worden war, dass vor kurzem eine ähnliche Arznei in den USA entwickelt worden sei. Es gab auch irgendeine Geschichte über unfaire Konkurrenz auf dem Gebiet Pharmakologie – darüber kann ich allerdings nicht urteilen. Ich kann nur eines sagen: Die WADA ist ein Mechanismus, dessen Ziel darin besteht, aufzupassen, dass im Sport nicht gedopt wird. Dieser Mechanismus sollte seine Vorgehensweisen professionell begründen. Die jüngste Entscheidung dieser Organisation hat bei Profis viele Fragen hervorgerufen. Und auf diese Fragen sollte eine professionelle und ehrliche Antwort gegeben werden.
Frage: Herr Lawrow, Sie haben eben das Thema Sanktionen erwähnt. Die Amerikaner sagen, es wären neue Sanktionen aus verschiedenen Gründen, darunter wegen des Falls Sawtschenko, nötig. Aber sind überhaupt neue Sanktionen möglich? Sie sprechen sehr oft mit US-Außenminister John Kerry. Haben Sie den Eindruck, dass die USA und ihre europäischen Verbündeten bereit wären, noch weiter die Situation zuzuspitzen?
Sergej Lawrow: Sie wissen doch, dass es in Washington sozusagen „viele Türme“ gibt. Das muss also wohl auch berücksichtigt werden. Ich habe sehr gute persönliche, kameradschaftliche Beziehungen mit dem US-Außenminister John Kerry. Wir empfinden eine gewisse Sympathie füreinander, sprechen über gewisse Dinge, die mit unserer Arbeit nichts zu tun haben, zum Beispiel über den Sport oder das Verhalten zum Leben im Allgemeinen. Er besucht uns oft, hat sich mehrmals mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin getroffen. Wir telefonieren mit ihm alle zwei bzw. drei Tage. In letzter Zeit hatten wir viele Kontakte am Rande verschiedener Veranstaltungen; wir sprechen oft miteinander wegen der Situation in bzw. um Syrien. Ich halte ihn für einen aufrichtigen Menschen und einen großen Profi, der sich in der Situation in der Welt sehr gut auskennt und Verständnis für die wahren, legitimen und ideologiefreien nationalen seines Landes hat und die Beziehungen mit den Partnern, darunter mit Russland, aus dem Bauch heraus entwickelt. Dabei bringt er die Interessen der USA voran, sucht aber auch nach einer Bilanz mit den Interessen der Partner. Das ist eine faire Position. Im Grunde richten wir uns ebenfalls nach dieser Vorgehensweise.
US-Außenminister John Kerry kommt nach Moskau oder Sotschi, um mit dem Präsidenten Wladimir Putin zu sprechen. Letztes Mal besuchte er uns im Dezember 2015 und sagte damals auf einer Pressekonferenz, dass er kein Anhänger der Idee zur Isolierung Russlands sei. Einige Tage später verkündete Washington zusätzliche Sanktionen, die ihm zufolge angeblich nur einige technische Details präzisieren würden. In Wahrheit war das aber ein ziemlich großes Paket. Deshalb ist es ziemlich schwer, die Logik nachzuvollziehen, wenn „die linke Hand nicht weiß, was die rechte Hand tut“. Wenn das ein Spiel mit einem „guten“ und einem „bösen Polizisten“ ist, dann ist das ziemlich primitiv.
Wie gesagt, wir gehen von unserer prinzipiellen Position aus: Wir kooperieren mit den USA nicht um ihnen zu gefallen, damit sie mit uns „milder“ umgehen, sondern arbeiten mit ihnen auf Gebieten zusammen, wo unser Zusammenwirken wirklich erfolgreich sein und den Interessen Russlands entsprechen kann. Wir arbeiten mit den Amerikanern an der Syrien-Regelung zusammen, weil wir keine terroristischen Formationen im Nahen Osten brauchen, damit die Terroristen nicht wieder Probleme unseren Nachbarn und unserem Land machen. Ähnlich kooperierten wir auch am iranischen Atomprogramm: Wir brauchen keine neuen Atommächte, dabei aber müssen wir das universale Recht aller Staaten auf eine friedliche Atomenergetik verteidigen. Das haben wir auch gemacht, indem die Vereinbarungen in Bezug auf den Iran getroffen wurden. Wir brauchen absolut keine Atomwaffen, besonders wenn es um diesbezügliche Ansprüche und Gefahren seitens Nordkoreas geht. Wir werden versuchen, es zu beeinflussen, damit die Situation am Verhandlungstisch besprochen werden kann und damit es mit der Internationalen Agentur für Atomenergetik (IAEO) kooperiert.
Genauso brauchen wir keine Krise in der Ukraine. Wir verstehen, dass die entscheidende Rolle für Kiews Position ausgerechnet die USA spielen, die dort im Grunde den Alltag bestimmen. Deshalb kooperieren wir pragmatisch nicht nur mit unseren französischen und deutschen Partnern im Rahmen des so genannten "Normandie-Formats", sondern auch mit den Amerikanern: Es gibt einen entsprechenden bilateralen Kooperationskanal. Hoffentlich verstehen die Amerikaner, dass es nötig ist, nach Kompromisswegen zu suchen, die die vollständige Erfüllung der Minsker Vereinbarungen ermöglichen.
Der Befehlshaber der Nato-Truppen in Europa, US-General Philip Breedlove, redet immer irgendwelchen Unsinn, dass sich die USA auf einen Krieg bzw. auf einen Sieg gegen Russland gefasst machen müssten, und zwar wohl nicht im übertragenen, sondern im direkten Sinn. In Washington gibt es also die „Kriegspartei“ und auch die „Sanktionspartei“. Es fällt diesen Personen offenbar schwer, mit der eigenen Gewohnheit zu kämpfen: Sie sind immerhin daran gewohnt, dass ihr Land niemandem zuhören muss, sondern dass es allen in der Welt sagt, was sie zu tun haben.
Die Zeiten ändern sich aber, und ich sehe das philosophisch. Wenn jemand sehr stark ist und wenn niemand das kontrollieren kann, dann macht das wohl einen zu entspannt und vielleicht in einem gewissen Sinne sittlich verdorben. Jetzt spüren die Amerikaner, dass sie nicht imstande sind, große Probleme im Alleingang zu lösen. Sie können nicht einmal Länder wie die Türkei beeinflussen, die immer ihre Verbündeten waren. Die Türkei ignoriert nämlich die Forderungen der Amerikaner in Bezug auf die Syrien-Regelung. Die Amerikaner kooperieren in Syrien mit den Kurden, aber Ankara stempelte die Kurdische Demokratische Union, die für die USA ein Partner und Verbündeter ist, zur terroristischen Organisation ab und greift sie vom türkischen Territorium an. Wir verwiesen den Amerikanern öfter darauf, dass dies eine Verletzung unserer Vereinbarungen und Resolutionen ist, und sie guckten schüchtern zur Seite und stimmten uns zu, und sagten, es wäre eine gewisse Zeit erforderlich, um jemanden zu beruhigen.
Washington kann lange nicht alles. Diese „Cowboy“-Stimmung wird natürlich allmählich in der Vergangenheit bleiben. Das ist schmerzhaft und wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Aber wir haben dafür Verständnis und werden warten, bis sich diese neue Realität in den Köpfen der Washingtoner Politiker etabliert, und werden zwischendurch dort handeln, wo es unseren Interessen entspricht. Und natürlich werden wir immer bereit sein, auf jegliches unfreundliches Vorgehen uns gegenüber eine harte Antwort zu geben.
Frage: Unser Drehteam war an der Grenze mit der Türkei auf der Seite der syrischen Kurden und sah mit den eigenen Augen die Folgen der Angriffe. Die Einwohner erzählten, dass sie das einzige Drehteam des russischen Fernsehens waren, das diese Gegend erreichen konnte. Sie nahmen türkische Panzer und andere Technik an der Grenze auf. Diese Videos sind vorhanden, sogar das russische Verteidigungsministerium konnte sie sehen.
Sergej Lawrow: Ich habe das gehört und gesehen. Das ist eine Art „schleichende Expansion“. Denn die Türken hatten schon seit langem gewarnt, sie würden keine Stärkung der Kurden im Norden Syriens zulassen. Obwohl die Kurden (auf dem syrischen Territorium gibt es die westliche und die östliche Enklave, und dazwischen liegt der "Islamische Staat") gegen IS unter Mitwirkung Russlands und der USA kämpften, erklärten die Türken, es wäre für sie inakzeptabel, wenn sich die beiden Enklaven vereinigen würden, auch wenn der IS bezwungen werden könnte. Für sie sei am wichtigsten, dass sich die Kurden auf dem syrischen Territorium nicht vereinigen. Das ist auf den ersten Blick ein Problem der Türkei und nicht Syriens. Das ist ein besonderes Thema. Ausgerechnet deshalb glauben wir, dass am Prozess, der in Genf beginnt, unbedingt die Kurden teilnehmen sollten, wenn wir das meinen, was wir sagen, wir sind der Idee der Souveränität und territorialen Integrität Syriens treu.
Falls die Kurden aus den Verhandlungen über Syriens Zukunft ausgeschlossen werden, wie kann man denn damit rechnen, dass sie in diesem Staat leben wollen? Dann werden sie einfach die ganze Weltgemeinschaft und all diese Schemata ignorieren. Deshalb stehen wir auf derselben Position wie alle anderen Länder außer der Türkei und werden darauf bestehen, dass die UNO keinen Ultimaten nachgibt und die Kurden von Anfang an zu den Verhandlungen zulässt.
Indem die Türkei von der Unzulässigkeit der Stärkung der kurdischen Seiten in Syrien sprach, erklärte sie von ihrem souveränen Recht auf die Bildung von irgendwelchen „Sicherheitsräumen“ auf dem syrischen Territorium. Nach unseren Informationen fassen die Türken inzwischen in einigen Hunderten Metern von der Grenze auf der syrischen Seite Fuß. Vor einigen Tagen besuchte der türkische Premier Davutoglu Brüssel, wo die Migrationskrise besprochen wurde, genauer gesagt, wo nach einer Antwort auf das türkische Ultimatum gesucht wurde. Und am Ende rief diese Antwort viele Fragen sowohl in Bezug auf die Autorität der Europäischen Union, auf ihr Image und ihre Fähigkeit, eigene legitime Interessen zu verteidigen, als auch in Bezug auf die Übereinstimmung dieser Vereinbarungen mit dem Völkerrecht hervor. Es gab bereits Kommentare der UN-Verwaltung für Flüchtlinge und verschiedener Nichtregierungsorganisationen, dass die Völkerrechtsnormen, die in universalen Konventionen verankert seien, großenteils ignoriert worden seien. Aber unter anderem ist in den von der Türkei und der EU unterzeichneten Dokumenten ein indirekter Verweis darauf enthalten, dass die Europäische Union Verständnis für die Notwendigkeit der Bildung gewisser Sicherheitsräume hat, und zwar ausgerechnet auf dem syrischen Territorium. Wir fragten in Brüssel, ob eine solche Vorgehensweise der offiziellen Position der EU entspricht, dass sie alle Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats unterstützt, darunter den über die Unzulässigkeit des Zerfalls Syriens bzw. einer Verletzung seiner territorialen Integrität. Wir warten auf eine Antwort.
Frage: Seitens der Türkei kommt der Bau einer ganzen Flüchtlingsstadt auf dem Territorium Syriens infrage. Werden wir auf diese Initiative irgendwie reagieren?
Sergej Lawrow: Wie ich schon sagte, halten wir jegliche Handlungen auf dem syrischen Territorium ohne Zustimmung der syrischen Regierung für unzulässig. Wie gesagt, wir sind das einzige Land (neben dem Iran), dessen Vertreter (unsere Luft- und Weltraumtruppen und iranische Berater) auf Einladung der legitimen Regierung auf dem syrischen Territorium präsent sind. Alle anderen Staaten, darunter die Mitglieder der von den USA angeführten Anti-Terror-Koalition, halten sich dort ohne eine rechtliche Begründung in Form einer Resolution des UN-Sicherheitsrats oder einer Einladung der legitimen Regierung auf. Aber als wir Kontakte mit der von den USA angeführten Koalition aufnahmen und die Kooperation zwecks Vorbeugung Zwischenfällen in der Luft und später auch zwecks Koordinierung der Handlungen im Interesse der Waffenruhe und der Versorgung mit humanitären Hilfsgütern vereinbarten, akzeptierte die syrische Regierung eine solche Formel und meint, dass die Souveränität Syriens nicht verletzt wird, wenn das unter Russlands Beteiligung getan wird.
Frage: Wurde diese Formel in irgendwelchen Dokumenten verankert?
Sergej Lawrow: Ein solches Dokument gibt es nicht, aber die syrische Regierung sagte, dass wenn einer der äußeren Akteure seine Handlungen mit Russland koordiniere, das in Syrien legitim präsent sei, dann sei das akzeptabel.
Frage: Wenn diese Gruppierung durch das gemeinsame Vorgehen gegen den IS Syrien verlassen müsste, könnte sie nicht in die Nachbarländer wie Jordanien oder Libanon ziehen? Wird sich diese Organisation nicht über den ganzen Nahen Osten verbreiten? Gibt es einen Aktionsplan für diesen Fall?
Sergej Lawrow: Das passiert schon. Der IS fasst Fuß in Libyen und im Jemen, wo viele übersehen, dass von den Auseinandersetzungen zwischen der Koalition mit Saudi-Arabien an der Spitze auf der einen Seite und den Huthi und den Anhängern des ehemaligen Präsidenten Ali Salih auf der anderen Seite verschiedene Terroristen, darunter der IS, profitieren. Die Terroristen erobern die Teile Jemens, die derzeit sowohl von der Regierung als auch von der Opposition vernachlässigt werden. Auch in Afghanistan fasst der IS Fuß, darunter im Norden, wo er die Taliban-Kämpfer verdrängt oder mit ihnen verhandelt. Das ist eine sehr gefährliche Tendenz. Und natürlich ist der IS ein großes Teil von Problemen im Irak, die mit der Idee zur Bildung eines „Kalifats“ auf dem Territorium Syriens und des Iraks verbunden sind. Die Hauptstadt des "Islamischen Staates" im Irak liegt in Mossul, und dort führen die irakischen Streit- und Sicherheitskräfte mithilfe der von den USA angeführten Koalition Kriegshandlungen. In Syrien ist Rakka die IS-Hauptstadt. Wir sind bereit, unsere Handlungen mit den Amerikanern zu koordinieren, denn Rakka liegt im Osten Syriens, und dort ist vor allem die von den USA angeführte Koalition aktiv. Ich verrate wohl kein Geheimnis, wenn ich sage, dass die Amerikaner uns irgendwann eine Art „Arbeitsteilung“ anboten: Die russischen Luft- und Weltraumtruppen würden sich auf die Befreiung Palmyras konzentrieren, während die US-Koalition unter Russlands Mitwirkung sich mit der Befreiung Rakkas beschäftigen würde.
Frage: Dann würden wir sozusagen „Berlin erobern“?
Sergej Lawrow: Dennoch war das eine Äußerung unserer Beteiligung an der fortgeschrittenen Phase der Terrorbekämpfung in Syrien. Das beweist, dass sie es endlich allmählich einsehen. Die USA verstehen, dass nicht nur der Informationsaustausch nötig ist, damit wir uns gegenseitig nicht abschießen, sondern wir müssen unsere Handlungen bei der Bekämpfung des Terrorismus wirklich koordinieren. Sonst klappt es nicht.
Derzeit kommen ziemlich kontroverse Signale über die wahren Absichten der Amerikaner. Wir haben „Hotlines“ zwischen dem US-Kommando in der jordanischen Hauptstadt und unserem Kommando auf dem Stützpunkt Hmeimim. Zudem sind russische und amerikanische Offiziere auch in Genf präsent. Aber es gibt auch die permanente direkte „Hotline“ zwischen Moskau und Washington. Aber manchmal behaupten verschiedene Pentagon-Vertreter, es würde keine Koordinierung mit Russland geben. Dann fragen wir den US-Außenminister John Kerry und seine Kollegen im US-Außenministerium danach, und sie antworten, die Koordinierung sei vorhanden, aber man müsste alles erklären, damit niemand gekränkt werde, weil die Amerikaner mit uns kooperieren. Ich würde sagen, dass dies eine kindische Position ist: Die Amerikaner achten kindisch darauf, wer was denken wird. Das Problem ist klar, und der IS ist für uns alle gefährlich. Sie haben richtig gesagt, dass wenn der IS in Syrien und im Irak bezwungen wird, wir müssten uns trotzdem mit den „Metastasen“ dieses „Kalifats“ befassen. Der Unterschied des IS von der al-Qaida und anderen bekannten terroristischen Organisationen besteht darin, dass diese Gruppierung die erste war, die laut sagte: Es genügt nicht, den „Untreuen“ Schäden zuzufügen, sondern es müsste ein „Kalifat“ gebildet werden. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt war der IS dabei durchaus erfolgreich, indem er auf gewissen Territorien das Leben nach seinen barbarischen Regeln gestaltete. Aber viele Menschen, die vom Krieg müde waren, akzeptierten auch solche Regeln, damit wenigstens etwas vorhersagbar wird.
Das ist eine ziemlich gefährliche Ideologie, wenn man die absolut unmenschlichen Prinzipien bedenkt, auf die sich der IS stützt, indem er den Islam entstellt und Anhänger durch Spekulationen mit den ungelösten Problemen im Nahen Osten, darunter in Palästina und anderen Konfliktherden auf seine Seite zieht. Dabei behauptet er, dass die westliche Zivilisation mit dem „Großen Satan“ an der Spitze die arabische Welt zerstöre und ihre Entwicklung behindere. Vor kurzem hat übrigens der Neffe John Kennedys, Robert Kennedy, in einem Beitrag für die Zeitschrift „Politico“ geschrieben, dass sein Onkel, der damals US-Präsident gewesen sei, 1957 darauf bestanden hätte, dass die Amerikaner im Nahen Osten von der Notwendigkeit ausgehen, die Stimmungen der Länder dieser Region zu unterstützen, und sich nicht mehr einmischen, darunter mit Waffe in der Hand. Aber damals habe die Position der CIA und des Pentagons die Oberhand gewonnen, der zufolge die USA alle diese Staaten unter Kontrolle nehmen und die dortigen „ungünstigen“ Regimes stürzen müssten, ohne lange nachzudenken. Oft habe es latente und offene Interventionen gegeben. Der Nachkomme eines der großen US-Präsidenten schlussfolgerte, dass alle Probleme im Nahen Osten ihre Wurzeln darin haben, dass die USA dort ihre Regeln aufzwingen wollten, wobei die Stimmungen der Einwohner dieser Region ignoriert wurden.
Zudem verwies er auf eine sehr interessante Sache: Man wollte dort die Amerikaner nicht als Feinde erklären; man wollte nicht auf Kontakte mit ihnen verzichten; man wollte mit ihnen zusammenwirken. Aber die Amerikaner bewiesen öfter, dass sie ihre Freunde ganz leicht verraten können. So ist das beispielsweise dem ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak passiert. Wenige Tage nach dem Beginn des „arabischen Frühlings“ sah er ein, dass sein Volk Reformen wollte, und trat ganz würdig zurück, indem er die Macht dem Vizepräsidenten überließ. Er flüchtete nicht aus Ägypten und blieb in seinem Haus in Scharm El-Sheikh. Aber wenige Tage später wurde er in einen Käfig gesetzt, nach Kairo gebracht und dort vor Gericht gestellt. Im Frühjahr sandten wir den Amerikanern Signale, dass sie sich überlegen sollten, ob so etwas richtig gewesen war. Mubarak war ein würdiger Mensch und Patriot seines Landes. Er sicherte die Interessen Ägyptens und der USA, unterhielt gute Beziehungen mit Europa und Russland. Wir hätten alle zusammen die Anführer des Aufstands in Kairo aufrufen können, diesen bejahrten und verdienten Mann freizulassen und nicht im Käfig sitzen zu lassen, als wäre er ein Tier oder ein gefährlicher Verbrecher. Die Amerikaner schauten aber weg. Präsident Baschar al-Assad war am Anfang seiner Präsidentschaft der beste Freund für die europäischen Hauptstädte. „Der wahre Freund zeigt sich in der Not“ – dieses Sprichwort hat jemand erfunden, der wirklich weise war. Die Menschen im Nahen Osten sehen sehr gut, wie man sich zu ihnen verhält.
Wir sind sehr daran interessiert, dass die EU stark und selbstständig ist. Das ist natürlich ein wichtiges Subjekt des internationalen Lebens, aber im außenpolitischen Bereich wird die EU von den USA gewaltig unter Druck gesetzt. Wir wollen, dass die EU einig ist, dass sie Entscheidungen unter Berücksichtigung ihrer eigenen Interessen trifft, unter Berücksichtigung ihrer Mitgliedsländer und des „großen Europas“, wie sie sich selbst nennen. Hoffentlich wird die EU-Führung aus der aktuellen Situation, darunter aus der Flüchtlingskrise, lernen. Bis zuletzt galt es: „Wer zu uns gekommen ist, das sind alles zivilisierte Menschen“. Das war einigermaßen hochnäsig, denn die Europäer dachten, sie hätten keine Probleme mit den Menschenrechten, so dass dieses Thema weder in der UNO noch im EU-Rat besprochen werden müsste, denn sie würden schon selbst damit zurechtkommen. Sie dachten, sie würden selbst die Menschenrechtssituation bei anderen beurteilen. Es galt, dass sie solidarisch waren: Wenn Russland beispielsweise einen schiefen Blick auf ein EU-Land richten würde – als hätten wir jemanden von ihnen schief angeguckt, - dann würden sie solidarisch gegenüber einer solchen inakzeptablen Politik Russlands sein. Die Flüchtlingskrise hat aber gezeigt, was die Solidarität in schlimmen Zeiten wert ist – da stirbt jeder für sich alleine.
Wir haben an all dem absolut keinen Spaß, haben keine Schadensfreude, betonen aber immer wieder: Die Initiative zur Bildung eines einheitlichen wirtschaftlichen humanitären Raums war schon längst geäußert worden. Der humanitäre Raum würde natürlich die Lösung von Migrationsproblemen, darunter die Ausarbeitung einer einheitlichen Migrationspolitik, die Trennung der Flüchtlinge von den Wirtschaftsmigranten usw. vorsehen. Die EU akzeptierte diesen Schritt nur sehr ungern und nur in einzelnen Momenten. Grundsätzlich aber hatte sie keinen politischen Willen, um die Bildung des gemeinsamen wirtschaftlichen humanitären Raums heranzugehen.
Man wirft uns jetzt vor, unser Anti-Terror-Einsatz in Syrien wäre nahezu der einzige Grund der Migrationskrise, obwohl sie viel früher begonnen hatte, und zwar mit der Zerstörung Libyens, das am Ende zu einem Weg für den Menschenschmuggel aus halbem Afrika, aus dem Irak, aus Afghanistan und auch Pakistan wurde. Man versucht aber immer noch, die Situation so darzustellen, als wären alle Flüchtlinge in Europa Syrer. Das ist auch eine Entstellung der Wahrheit.
Man sagt uns aber, wir hätten irgendwelche Flüchtlinge nach Skandinavien, nämlich nach Norwegen oder Finnland vertrieben. Mit den Finnen und Norwegern unterhalten wir ein ganz normales Gespräch, um die Situation zu regeln. Aber jedes Mal, wenn irgendein Problem entsteht, versucht man, es auf Russland zurückzuführen, und das ist eher lächerlich. Das verstehen viele Politiker, und zwar nicht nur aus den politischen Strömungen in Europa, die mit uns zusammenwirken und die dafür von den Mainstream-Medien verflucht werden. Das verstehen inzwischen auch Vertreter der Parteien, die in vielen EU-Ländern an der Macht stehen.
Wir hatten noch 2004 gesagt, dass die voreilige Aufnahme von neuen Mitgliedern in die EU- und Nato-Reihen, die den erforderlichen Kriterien nicht entsprachen, durch die Absicht bedingt war, Russland den geopolitischen Raum auf dem Territorium der Ex-Sowjetunion wegzunehmen. Wir sahen das philosophisch und sagten unseren Kollegen: „Unseretwegen, aber Ihr solltet nicht diesen Ländern gehorchen. Denn die Mentalität mancher von ihnen, darunter unserer Nachbarn an der Ostsee, von einer Art Russland-Hass geprägt ist.“ Man sagte uns: „Das ist kein Problem. Sie kommen in die EU und die Nato, beruhigen sich und werden sich in Sicherheit fühlen.“ Leider ist das gar nicht so, und die Russland-Hasser versuchen, in der EU „die Musik zu bestellen“. Solide Staaten verstehen aber allmählich, dass solche Versuche schädlich und aussichtslos sind.