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ARTIKEL RF-AUSSENMINISTERS IGOR IWANOW „EUROPAEISCHE STANDARDE MUESSEN FUER ALLE EINHEITLICH SEIN“, VEROEFFENTLICHT IN DER SCHWEDISCHEN ZEITUNG „DAGENS NUEHETER“ 1 MAERZ 2004

416-01-03-2004

Die Zukunft des sich entwickelnden Grosseuropas haengt in grossem Masse von der Staerke dessen grundlegenden Prinzipien im politischen, wirtschaftlichen, humanitaeren und anderen Bereichen. Damit diese Prinzipien fuer den Wohl aller Staaten und Voelker des Grosseuropas arbeiten, muessen sie von ihnen geteilt, geachtet und strikt erfuellt werden. Alle Versuche, Ausnahmen aus den allgemeingueltigen Regeln zu machen bzw. zu Doppelstandarden zu greifen, koennen die Einheit der europaeischen Gemeinschaft unterminieren, seine Grundpfeiler erschuettern.

Zu besonders feinen Bereichen des europaeischen Aufbaus gehoert verstaendlicherweise der humanitaere Bereich.

Russland ist der multinationalste und multikonfessionellste Staat Europas. In der jahrhundertealten Geschichte unseres Landes gab es schwere Zeiten, wenn ganze Voelker verfolgt und deren Rechte beschraenkt wurden. Sie waren sehr schwere, aber nur kurz. Gewoehnlich lebten jedoch die unser Land besiedelten Voelker in Friede und Einvernehmen, sie bereicherten einander in kultureller und geistiger Hinsicht und trugen gemeinsam sehr viel zur Weltzivilisation bei.

Modernes Russland teilt die allgemein anerkannten demokratischen Werte voll und ganz und setzt sie in der Praxis um, wobei es mit der UNO, dem Europarat, der OSZE und anderen sich mit humanitaeren Problemen befassenden internationalen Einrichtungen zusammenarbeitet.

Russland achtet die Rechte der nationalen Minderheiten im eigenen Land und haelt in dieser Frage internationale Normen strikt ein. Deshalb hat Russland das Recht auf das entsprechende Verhalten zu seinen Landsleuten. Dabei geht es nicht um etwaige Privilegen oder Ausnahmen. Im Gegenteil, wir reden davon, dass die in Europa gueltigen Normen in Bezug auf nationale Minderheiten in vollem Masse erfuellt werden muessen.

Leider schenken lettische Behoerden unseren Aufforderungen kein Gehoer. Verweise auf die Geschichte koennen den Entzug von grundlegenden Rechten Hunderttausenden russischsprachiger Menschen nicht begruenden, wenn Lettland an der Schwelle der Europaeischen Union und Nato steht.

Was die „Integrierung" der russischsprachigen Minderheit betrifft, so gehoert sie den Darlegungen der gegenwaertigen Fuehrung Lettlands zufolge nicht zur lettischen Gesellschaft, sondern sie ist ihr etwas Fremdes und darf die Rechte, die vom Rahmenabkommen des Europarates ueber der Schutz der Rechte der nationalen Minderheiten vorgesehen sind, nicht beanspruchen. Lettland hat dieses Abkommen vor dem Europarat-Beitritt unterzeichnet, es jedoch bis jetzt nicht ratifiziert. Seltsamerweise geniessen russischsprachige Einwohner Lettlands als nationale Minderheit derzeit viel weniger Rechte, als vor dem Beitritt Lettlands zum Europarat.

Heute haben fast 500.000 staendige Einwohner Lettlands den Status „Nichtbuerger", es sind also ueber 20% der Einwohner des Landes. Weder in Europa, noch weltweit gibt es aehnliche Beispiele. Das Tempo der Naturalisierung bleibt trotz bestimmter Zunahme in den letzten Monaten niedrig. 2003 wurde die Staatsangehoerigkeit nur 10.000 Personen verliehen. Es ist nicht schwer auszurechnen, wieviel Jahrzehnte die Verleihung der Staatsangehoerigkeit den restlichen „Nichtbuergern" in Anspruch nehmen wird, falls die Fuehrung Lettlands nicht politischen Willen bekundet, dieses Problem kardinal zu loesen.

Unsere natuerliche Besorgnis erregt die Situation mit der Gewaehrleistung der Sprachrechte unseren in Lettland lebenden Landsleute. Es ist kaum normal, dass Vertreter der russischsprachigen Gemeinde, also ca. 40% Bevoelkerung Lettlands, sich an die Behoerden nicht in ihrer Muttersprache wenden duerfen, nicht einmal in den Regionen, die sie kompakt besiedeln.

Man muss extra von der Schulreform in Lettland sprechen.

Das von der Saeima Lettlands im Februar des laufenden Jahres angenommene Gesetz ist auf den weiteren Abbau der russischsprachigen Bildung, Minderung ihrer Qualitaet und somit der Konkurrenzfaehigkeit der russischen Jugendlichen gerichtet. Es ist klar, dass es in dieser Form nur neue soziale Widersprueche und Konflikte herbeifuehren kann. Auf diese Gefahr wird nicht allein Russland aufmerksam. Darauf weisen mit grosser Besorgnis Paedagogen und Soziologe auch in Lettland sowie Experten der jeweiligen internationalen Organisationen hin.

Russland wie andere demokratische Staaten rechnet damit, dass lettische Behoerden in dieser Frage nicht zu diskriminierenden Massnahmen greifen, sondern die in Europa gesammelten positiven Erfahrungen nutzen werden. Es gibt dessen viele Beispiele: Belgium mit drei seinen Sprachgemeinden, das Modell, das fuer die deutschsprachigen Einwohner Suedtirols in Italien gefunden wurde, und Schulen mit dem Unterricht in den Sprachen der nationalen Minderheiten in der Slowakei, Finland, Schweden und Mazedonien.

Russland hat oefters auf verschiedenen Ebenen entsprechende internationale Einrichtungen sowie die Europaeische Union und die Nato aufgefordert, auf die Konfliktsituation im humanitaeren Bereich in Lettland aufmerksam zu werden. Wir wurden versichert, Lettland trete EU und Nato bei, und alles werde sich schon zurecht laufen. Wir wollen daran glauben, aber es gibt gewisse Zweifel, denn bis zum Beitritt bleiben nur einige Monate, und es gibt noch keine positiven Zeichen aus Riga.

Russland trat immer fuer die gute Nachbarschaft auf, die unseren Beziehungen zu den Baltischen Laendern objektiv eigen ist. Wir stehen dem konstruktiven Dialog ueber alle Fragen des bilateralen Charakters offen. Wir hoffen, dass pragmatische Kraefte in Riga erkennen werden: Es ist Zeit, von Deklarationen zu praktischen Handlungen ueberzugehen.

Wirkliche Fortschritte bei der Gewaehrleistung der Rechte der nationalen Minderheiten werden breite Moeglichkeiten zur gegenseitig vorteilhaften Zusammenarbeit zwischen Russland und Lettland oeffnen. Moskau ist dazu bereit.

Russland hofft, dass die EU- und Nato-Mitglieder in dieser Frage die gleiche Prinzipientreue an den Tag legen werden, mit der sie sich beispielsweise um die Anpassung der Gesetze anderer Beitrittlaender aus Mittel- und Osteuropa an die europaeischen Normen der Rechte der nationalen Minderheiten bemuehten.

Die Zukunft des einheitlichen, demokratischen Europas ist mit Doppelstandarden unvereinbar.


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