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Auftritt und Antworten des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, auf Medienfragen auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Außenminister Griechenlands, Nikos Dendias, nach den Verhandlungen am 18. Februar 2022 in Moskau

300-18-02-2022

Wir haben gute Verhandlungen gehabt. Es ist erfreulich, dass wir trotz der durch die Pandemie bedingten Beschränkungen und anderer Ereignisse in unserer gemeinsamen Region unseren regelmäßigen und vertrauensvollen Dialog pflegen. Wie wir festgestellt haben, war das bereits unser  fünftes Treffen in den letzten paar Jahren.

Wir betrachten Athen als einen wichtigen Partner in Europa. Heute haben wir akute Themen unseres bilateralen Zusammenwirkens im Kontext der Vereinbarungen ausführlich besprochen, die Präsident Putin und Premier Mitsotakis bei ihrem Treffen im Dezember 2021 getroffen hatten, wie auch praktische Schritte zur Erfüllung der Beschlüsse des Gipfeltreffens, insbesondere des Gemeinsamen Aktionsplans für die Jahre 2022 bis 2024.

Wir stellten fest, dass unser Handelsumsatz 2021 trotz aller mit der Pandemie verbundenen Probleme um mehr als 67 Prozent auf 4,5 Milliarden Dollar gewachsen ist. Das ist ein Rekord seit 2013. Wir hoffen, dass dieser Trend im Kontext der weiteren Pläne fortgesetzt wird, die die Investoren der Russischen Föderation mit ihren griechischen Partnern haben, wie auch im Rahmen der Arbeit der Russisch-griechischen Kommission für wissenschaftlich-technische und wirtschaftliche Kooperation, die im November 2021 in Moskau zusammengekommen war. 2022 soll ihre nächste, schon 14. Tagung in Griechenland stattfinden.

Wir betonten extra die positive Dynamik bei der Versorgung Griechenlands mit dem russischen Erdgas. Russland deckt mehr als 40 Prozent des Bedarfs seiner griechischen Partner. Wir gehen davon aus, dass zur Festigung der Energiesicherheit Griechenlands das vor kurzem unterzeichnete Zusatzabkommen zu dem entsprechenden Vertrag beitragen soll, der bis 2026 gilt. Es wurde die Zuverlässigkeit der Lieferungen dieser Brennstoffart aus Russland nach Griechenland konstatiert.

Wir haben weitere Schritte zur Entwicklung der bilateralen Vertrags- bzw. Rechtsbasis bestimmt. Es wird gerade die Arbeit an einer ganzen Reihe von Entwürfen von Abkommen und Verträgen geführt, der praktische  Austausch zwischen unseren Ländern auf der Ebene der Zivilgesellschaften und Berufsgemeinschaften betreffen.

Wir wirken auf dem Gebiet des Reagierens auf Notsituationen erfolgreich zusammen. Die russische Flugtechnik hat ihre Effizienz und Zuverlässigkeit während der Teilnahme an der Löschung von großen Waldbränden in Griechenland im Sommer 2021 unter Beweis gestellt. Wir bestätigten unsere Bereitschaft, unsere Partner auch künftig bei der Bekämpfung von Naturkatastrophen sowie bei der Erhöhung ihres Potenzials auf diesem Gebiet zu unterstützen.

Wir pflegen traditionsgemäß einen intensiven Austausch im kulturellen bzw. humanitären Bereich, der unter unseren Bürgern populär ist. Es geht das gemeinsame Jahr der Geschichte unter dem Patronat des Präsidenten Russlands und des Ministerpräsidenten Griechenlands weiter. Auf Vereinbarung unserer Spitzenpolitiker bereiten wir die Abschlusszeremonie dieser wichtigen gegenseitigen Veranstaltung vor, die im Sommer 2022 stattfinden wird. Das Jahr wurde in Griechenland eröffnet, und die Abschlusszeremonie wird Russland empfangen. Wir sind daran interessiert, dass solche Veranstaltungen auch künftig organisiert werden. Wir einigten uns darauf, die Thematik für weitere gegenseitige Jahre abzusprechen.

Wir sind an der Entwicklung des Zusammenwirkens mit Griechenland, wie auch mit anderen Ländern Europas, bei der Bekämpfung der Corona-Infektion bzw. bei der Überwindung ihrer Folgen interessiert. Das würde zum weiteren Ausbau unserer Verbindungen im touristischen Bereich und bei der Wiederaufnahme des Luftverkehrs beitragen. Im vorigen Jahr haben trotz der Pandemie mehr als 170.000 Russen Griechenland besucht.

Wir haben uns auf die Fortsetzung der regelmäßigen Kontakte auf dem Niveau der Außenministerien geeinigt. Es gibt den entsprechenden Beratungsplan. Wir sprachen über die Situation auf dem europäischen Kontinent, unter anderem im Kontext der Probleme, die gerade im Rahmen der russischen Initiative zu den Garantien einer gleichen, unteilbaren Sicherheit in Übereinstimmung mit den Prinzipien besprochen werden, die auf höchster Ebene im Rahmen der OSZE befürwortet wurden. Leider sind unsere Partner aus der Nato und der EU nicht bereit, sie vollständig einzuhalten, vor allem in dem Teil, der von jedem Land verlangt, auf Festigung seiner Sicherheit auf Kosten der Sicherheit anderer Länder zu verzichten.

Sie kennen den Inhalt unserer Materialien, insbesondere des großen Materials, in dem die Situation und unsere Einschätzung der Position des Westens ausführlich geschildert sind. Wir haben dieses Dokument gestern der  amerikanischen Seite überreicht.

Wir haben eine ganze Reihe von regionalen Krisensituationen erörtert, darunter die Situation im Südosten der Ukraine. Wir unterstrichen die Alternativlosigkeit der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen in vollem Umfang und in der festgesetzten Reihenfolge. Unsererseits wurde die große Besorgnis über die Erklärungen des offiziellen Kiews, es würde keinen direkten Dialog mit Donezk und Lugansk führen. Das ist eine direkte Herausforderung und zugleich die Weigerung, die Minsker Vereinbarungen umzusetzen.

Wir haben die Situation im östlichen Mittelmeerraum, das Thema Zypern-Regelung, die Situation im Nahen Osten bzw. in Nordafrika, in Transkaukasien und auf dem Westbalkan besprochen.

Das war ein inhaltreiches und sehr nützliches Gespräch. Wir legen viel Wert auf die Möglichkeit, unsere Einschätzung und Ideen zu vergleichen, wie im Kontext einer ganzen Reihe von Konfliktsituationen Fortschritte zu machen wären.

Das waren nützliche Verhandlungen. Ich bedanke mich bei meinem Amtskollegen und Freund und bei seiner ganzen Delegation.                                                      

Frage (übersetzt aus dem Griechischen, an Nikos Dendias): Die Republik Türkei stellt in letzter Zeit die Souveränität der griechischen Inseln infrage. Wie sind die Argumente Griechenlands? Wie reagiert Athen auf diese Frage?

Sergej Lawrow (ergänzt nach Nikos Dendias): Ich will unsere Position für Regelung aller Streitigkeiten, auch der zwischen Griechenland und der Türkei, auf der festen Basis des Völkerrechts bestätigen. Vor allem auf Basis der Prinzipien, die in den UN-Konventionen im Völkerrechtsbereich, insbesondere über die Suche nach Verständigung zwischen Seiten, die Streitparteien sind. Wir sind bereit, an Bedingungen für einen solchen Regelungsprozess zu arbeiten, wenn das auf uns ankommen sollte.

Nikos Dendias erwähnte, dass jemand versuchen könnte, den Umstand, dass alle gerade in die andere Richtung gucken (ich meine auf die Ukraine), auszunutzen. Da muss man einen Vorwurf den westlichen Verbündeten machen, denn alle achten gerade auf diese aufsehenerregende Situation, die sie aus nichts kreiert haben, indem sie versuchen, ihre geopolitischen Interessen voranzutreiben.

Frage (an Nikos Dendias): Sehen Sie Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme von allumfassenden Verhandlungen über die Zypern-Regelung unter der UN-Ägide in der nächsten Zeit, an denen sich die Länder beteiligen würden, die als Garanten auftreten? Welche Hindernisse gibt es im Moment dafür?                    

Sergej Lawrow (ergänzt nach Nikos Dendias): Ich will unsere Position bestätigen, dass das Zypern-Problem auf Basis der entsprechenden Resolution des UN-Sicherheitsrats geregelt werden sollte. Im Kontext der internationalen Garantien plädieren wir  schon seit Jahren dafür, dass die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats, die entsprechende Resolutionen initiieren, die Rolle der Garanten ihrer Umsetzung übernehmen.

Frage (übersetzt aus dem Griechischen): Alle wissen, dass sich die Situation im Donezbecken wegen der Nichteinhaltung der Waffenruhe angespannt hat. Könne die Gefahr der Invasion der ukrainischen Truppen auf das Donbass-Territorium als „casus belli“ gelten?

Sergej Lawrow: Wir sind über die Berichte der letzten Tage über immer häufigere Angriffe beunruhigt, bei denen Waffen zum Einsatz kommen, die im Sinne der Minsker Vereinbarungen verboten sind. In diesem Zusammenhang muss ich darauf hinweisen, dass das Kiewer Regime schon seit Jahren seine Verpflichtungen auf gröbste Weise verletzt. Jedes Mal, wenn zusätzliche Maßnahmen zur Feuereinstellung vereinbart werden, werden sie von Kiew sabotiert.

Der bekannteste Fall, über den das „Normandie-Format“ und auch andere Interessenten wissen, ist die Vereinbarung zu zusätzlichen Maßnahmen zur Einhaltung der Waffenruhe vom Juli 2020. Ihr zufolge verpflichteten sich Kiew, Donezk und Lugansk, bei einem Beschuss nicht sofort darauf reagieren, sondern zunächst das Kommando zu verständigen. Dieses sollte dann über weitere Schritte entscheiden. Das wurde abgesprochen. Es wurde vereinbart, dass entsprechende Befehle abgegeben werden. Donezk und Lugansk haben solche Befehle abgegeben, und die Ukraine weigerte sich fast ein ganzes Jahr lang, das zu tun. In der Tat hielt sie die festgelegte Reihenfolge der Handlungen nicht ein.

Nicht ohne Hilfe Deutschlands und Frankreichs wurde Kiew dazu gezwungen, diesen Befehl abzugeben. Aber der für den „Sondereinsatz im Donezbecken“ zuständige Befehlshaber erklärte sofort, dass es egal sei, dass Kommandeure „auf dem Boden“ immer das Recht genossen hätten, Feuer  jederzeit zu erwidern – und würden das auch weiter tun. Wenn wir unseren deutschen, französischen und anderen Kollegen, die Kiew  rechtfertigen, auf dieses frappierende Beispiel hinweisen, können sie darauf nichts antworten.

Eine besondere Rolle bei der Einhaltung der Minsker Vereinbarungen spielt die OSZE-Beobachtungsmission. In der ersten Phase ihrer Arbeit handelte sie objektiv. Dann aber versuchte sie, in ihren Berichten die realen Ereignisse zu vertuschen. Unter anderem vermied sie es, zu erwähnen, von welcher Seite die Waffenruhe verletzt wurde, von welcher Seite zivile Objekte angegriffen wurden, bei denen solche Objekte zerstört und friedliche Einwohner getötet wurden. Nur unter unserem Druck (während die Ukrainer versuchten, das zu verhindern) veröffentlichte die Beobachtungsmission einen Bericht, in dem darauf verwiesen wurde, wer und wie unter den Verletzungen der Waffenruhe leidet. Es stellte sich heraus, dass es auf Seite des Volksheeres drei Mal mehr Zerstörungen von zivilen Objekten und Opfer unter Zivilisten gibt als auf der Seite, die von den ukrainischen Truppen kontrolliert wird.

Wenn die OSZE-Mission die Ereignisse der letzten Tage beleuchtet, sehen wir wiederum, dass sie das unkonkret tut und nur die große Zahl von Angriffen und Zerstörungen erwähnt. Sie verweist nicht darauf, wer wen beschießt und wo die meisten Objekte zerstört werden. Wir werden darauf bestehen, dass die OSZE-Mitglieder solche Informationen regelmäßig erhalten sollten, wobei konkret hingewiesen werden sollte, wer die Verletzungen der Waffenruhe initiiert und welche Ziele diesen Schlägen ausgesetzt werden. wir werden darauf bestehen. Vorerst sehen wir, dass die Mission immer wieder versucht, spitze Winkel zu glätten, wenn es um die Schuld der ukrainischen Streitkräfte geht.

Frage (übersetzt aus dem Griechischen, an Nikos Dendias): Sie trafen sich mit Griechen, die in der Ukraine leben, an der Trennungslinie. Haben Sie sich bei den Verhandlungen mit Sergej Lawrow bezüglich des Schicksals dieser Vertreter der griechischen Diaspora einigen können?

Sergej Lawrow (ergänzt nach Nikos Dendias):  Griechen leben nicht nur in Mariupol und im Donezbecken, sondern auch auf der russischen Krim. Wir würden uns immer freuen, Reisen für griechische Vertreter zu organisieren, damit sie mit ihren Landsleuten sprechen könnten.

Frage: Der ukrainische Präsident Wladimir Selenski erklärte, es müsste ein globales Dokument her, in dem die Sicherheitsgarantien für die Ukraine enthalten wären und das unter anderem die USA und Russland unterzeichnen sollten. Was hält man in Moskau von dieser Initiative?

Sergej Lawrow: Wenn es um die Sicherheit der Ukraine und darum geht, auf welchen Wegen diese Sicherheit gewährleistet werden könnte, dann muss ich Sie auf die Pressekonferenz der Präsidenten Russlands und Frankreichs, Wladimir Putin und Emmanuel Macron, nach ihren Verhandlungen im Kreml aufmerksam machen. Präsident Putin hat ausführlich und überzeugend erläutert, warum eine Gewährleistung der Sicherheit der Ukraine durch ihren Nato-Beitritt für unser Land unannehmbar wäre und die Sicherheit  Russlands gefährden würde. Wir sind überzeugt, dass man nach anderen Wegen zur Förderung der Sicherheit nicht nur der Ukraine, sondern aller Länder unserer gemeinsamen Region suchen sollte, auch der Russischen Föderation.

Die Suche nach solchen Wegen ist Teil unserer Initiative (wir haben heute darüber gesprochen). Wir besprechen sie mit den USA. Sie sieht nicht einseitige Zugeständnisse Russlands im Interesse seiner Sicherheit vor, sondern eine Absprache von Prinzipien, die die Sicherheit aller Länder, auch im östlichen Mittelmeerraum, gewährleisten würden. Wir sind bereit, gerade solche Varianten zu besprechen: nicht die Sicherheit der Ukraine, nur weil Wladimir Selenski eine solche Kaprice hat (gestern sprach er nur über den Nato-Beitritt), sondern die Sicherheit aller Länder der OSZE-Region auf einer festen Basis von Dokumenten, die auf höchster Ebene unterzeichnet wurden und die Unteilbarkeit der Sicherheit in vollem Umfang dieses grundlegenden Prinzips schildern.

Wir sind zu solcher Arbeit bereit. Das ist eben der Sinn unserer Initiative. Aber sie schließt keineswegs die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen aus, sondern umgekehrt: Sie sieht die gewissenhafte Umsetzung des „Maßnahmenkomplexes“ durch Kiew vor. Vor diesem Grund lassen sich aus Kiew Erklärungen hören, dass die Minsker Vereinbarungen „tote“ Dokumente wären, dass sie „unumsetzbar“ wären, weil sie „ohne Rücksicht auf die Interessen der Ukraine“ unterzeichnet worden wären; dass ein direkter Dialog mit Donezk und Lugansk „ausgeschlossen“ wäre, weil sie „nichts entscheiden“. Wladimir Selenski weiß wohl, wie es ist, wenn ein angebliches Verhandlungssubjekt nichts entscheidet – für dieses Subjekt entscheiden alles diejenigen, von denen es von außen verwaltet wird.

Wir sind für die Suche nach allumfassenden Sicherheitsgarantien für unsere ganze gemeinsame Region. Gleichzeitig aber bestehen wir auf einer Intensivierung der Bemühungen unserer westlichen Kollegen, die das Kiewer Regime beeinflussen, damit sie es zwingen, seine Verpflichtungen im Sinne der Minsker Vereinbarungen zu erfüllen.

 

 

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