Stenogramm der Ansprache Außenministers Russlands Sergej Lawrow auf der 36.Tagung des OIC-Außenministerrates, Damaskus, 23. Mai 2009
Stenogramm der Ansprache AuЯenministers Russlands Sergej Lawrow auf der 36.Tagung des OIC-AuЯenministerrates, Damaskus, 23. Mai 2009
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
Sehr geehrte Kollegen und Freunde,
Zunдchst mцchte ich mich beim AuЯenminister der Arabischen Republik Syrien Herrn Walid al-Muallim und beim Generalsekretдr der Organisation der Islamischen Konferenz Herrn Ekmeleddin Ihsanoglu fьr die Einladung bedanken, an der Arbeit der Tagung als Beobachter teilzunehmen.
Im vorigen Jahr gab es weltweit wichtige, manchmal dramatische Ereignisse. Sie haben im GroЯen und Ganzen bestдtigt, dass es dem kollektiven Herangehen aufgrund des Vцlkerrechts keine Alternative gibt. Die Kaukasus-Krise, die tragischen Ereignisse im Gazastreifen haben erneut gezeigt, dass man sich allein auf die rohe Gewalt bei der Konfliktbeilegung nicht stьtzen kann, denn das ist verderblich. Die gegenwдrtige globale Finanz- und Wirtschaftskrise ist ein weiteres klares Beispiel dafьr, dass die multilaterale Diplomatie, die Vereinbarung von gegenseitig akzeptablen universellen Normen und Regeln zu ihrer Einhaltung durch alle Staaten дuЯerst wichtig sind.
Russland verfolgt einen konsequenten Kurs auf die gleichberechtigte gegenseitig vorteilhafte Zusammenarbeit mit der islamischen Welt. Uns vereinen solche grundlegenden Prinzipien, wie die Entwicklung einer gerechten demokratischen Weltordnung unter zentraler Rolle der Vereinten Nationen und die Anerkennung der Mannigfaltigkeit der Kulturen und Religionen in der modernen Welt.
Unsere Beziehungen zu den islamischen Lдndern entwickeln sich nach wie vor sehr dynamisch. Zahlreiche Kontakte, auch auf hцchster Ebene, zeugen von der Stдrkung unserer ausgereiften zukunftsorientierten Partnerschaft.
Russland und islamische Lдnder sind Verbьndete im Kampf gegen den Terrorismus und Extremismus. Auch an die Lцsung von anderen globalen und regionalen Problemen gehen wir identisch heran. Ein wichtiger Bereich unseres Zusammenwirkens sind gemeinsame Aktivitдten zur Minderung des Konfliktpotentials in verschiedenen Regionen.
Einen besonderen Platz nimmt dabei der Nahe Osten ein, der wieder eine komplizierte und wichtige Zeit erlebt. Die zu lange dauernde gefдhrliche Pause im Verhandlungsprozess soll ьberwunden werden. Darauf sind die Bemьhungen Russlands im Rahmen des Nahost-Quartetts im engen Kontakt mit den Konfliktparteien, der Arabischen Liga und der Organisation der Islamischen Konferenz gerichtet.
Im Rahmen dieser Aktivitдten hat Russland am 11. Mai dieses Jahres die Ministersitzung des UN-Sicherheitsrates organisiert. Zu Ergebnissen dieser Sitzung haben die Ratsmitglieder einmьtig bestдtigt, dass die Regelung aufgrund des Vцlkerrechts, u.a. der Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und des Friedensplan erfolgen soll. Darьber hinaus wurde die Notwendigkeit der Grьndung eines unabhдngigen lebensfдhigen palдstinensischen Staates bestдtigt. Der Sicherheitsrat wies auf die Bedeutung der arabischen Friedensinitiative hin, die auch OIC unterstьtzt. Der Sicherheitsrat hat sich fьr die strikte Einhaltung der von den Seiten ьbernommenen Verpflichtungen im Sicherheitsbereich und gegen alle einseitigen Handlungen, die auf die Bestimmung des endgьltigen Status gerichtet sind, eindeutig ausgesprochen. Es betrifft vor allem den Verzicht auf die Siedlungsaktivitдten. Die vorrangige Aufgabe ist die Sicherung der Verkehrsfreiheit fьr die palдstinensische Bevцlkerung auf der Westkьste und die Entsperrung des Gazastreifens. Der Sicherheitsrat betont die Wichtigkeit der Einheit der palдstinensischen Reihen und unterstьtzt Дgyptens Bemьhungen in dieser Hinsicht. Beginnen soll man mit der Vereinigung aller palдstinensischen Gruppen auf der PLO-Plattform.
Zum nдchsten Schritt bei der Wiederaufnahme des politischen Prozesses in der Region soll die Moskauer Nahost-Konferenz werden. Diese Idee wurde mit dem internationalen Konsens aufgenommen, was in den Beschlьssen des UN-Sicherheitsrates festgelegt wurde. Unser prinzipielles Herangehen besteht darin, den umfassenden Charakter der Regelung auf allen Richtungen – palдstinensischen, syrischen und libanesischen - zu sichern.
Russland tritt fьr die Festigung der Souverдnitдt und der Unabhдngigkeit des Iraks ein, dessen Volk ьber eigenes Schicksal eigenstдndig verfьgen soll. Wir unterstьtzen die dafьr unternommenen Schritte der irakischen Regierung, die auf die nationale Versцhnung aufgrund des umfassenden Dialogs mit den Vertretern aller wichtigsten politischen Krдfte und ethnisch-konfessionellen Gemeinden des Landes gerichtet sind.
Wir teilen die Haltung der Arabischen Liga und der OIC, die fьr die politische Regelung der existierenden Probleme im Sudan unter Achtung dessen Souverдnitдt und der territorialen Integritдt auftreten. Wir gehen davon aus, dass der Darfur-Konflikt nur am Verhandlungstisch und unter konstruktivem Zusammenwirken Khartums mit der UNO, Afrikanischen Union und anderen internationalen Vermittlern gelцst werden kann. In den Beziehungen zwischen dem Nord- und Sьdsudan treten wir fьr die weitere reibungslose Umsetzung des Umfassenden Friedensabkommens auf.
Russland tritt konsequent fьr die Regelung der Probleme um das iranische Nuklearprogramm mit politisch-diplomatischen Mitteln unter Berьcksichtigung aller Aspekte auf, also auch der legitimen Interessen Irans und aller Lдnder der Region im Sicherheitsbereich und deren wirtschaftlichen Entwicklung. Unsere Vorschlдge ьber die Bildung eines Sicherheitssystems in der Region des Persischen Golfs sind wohlbekannt.
Gegenstand der ernsten Besorgnisse der internationalen Gemeinschaft bleibt Afghanistan. Wir begrьЯen das in letzter Zeit zum Ausdruck kommende Bestreben, bei der afghanischen Regelung den regionalen Faktor aktiver einzusetzen. Fьr die aktivere Rolle der Nachbarn Afghanistans haben sich die Teilnehmer der Sonderkonferenz unter der Дgide der SOZ ausgesprochen, die am 27. Mдrz in Moskau stattgefunden hat. Die auf dieser Konferenz verabschiedeten Dokumente enthalten konkrete Vereinbarungen ьber den verstдrkten Kampf gegen den Terrorismus, Drogenhandel und die Kriminalitдt. Wir fordern alle beteiligten Lдnder und internationale Organisationen auf, an der Realisierung der jeweiligen Projekte teilzunehmen.
Russland verfolgt aufmerksam die Entwicklung in Pakistan, unterstьtzt die Zusammenarbeit Islamabads und Kabuls bei der Ausarbeitung und Realisierung einer effektiven Strategie zur Bewдltigung der terroristischen Bedrohungen. Parallel mьssen aber MaЯnahmen zur sozial-цkonomischen Entwicklung der rьckstдndigen pakistanisch-afghanischen Grenzgebiete getroffen werden.
Russland begrьЯt die Stдrkung der konstruktiven Rolle der OIC in den weltweiten Angelegenheiten, was in vielen Beschlьssen des Dakar-Gipfels der OIC zu aktuellen internationalen Fragen zum Ausdruck gekommen ist. Von der Reife und Einheit der OIC zeugt auch die Annahme der Charta der Organisation. Das ist ein deutlicher Verdienst des jetzigen Vorsitzenden der Organisation – Senegals bzw. des Generalsekretдrs Ekmeleddin Ihsanoglu. Sein Treffen mit dem Prдsidenten der Russischen Fцderation Dmitri Medvedev am 27. Mдrz dieses Jahres in Moskau, die Erцffnung der Stдndigen Vertretung Russlands im Stabsquartier der Organisation in Dschidda zeugen von der wachsenden Bedeutung des Zusammenwirkens Russlands und der OIC.
Im Oktober 2008 fand in Dschidda die 4. Sitzung der Gruppe der strategischen Vision „Russland – islamische Welt" statt, wo die aktuelle Aufgabe - Bemьhungen zum Erreichen der Verstдndigung der Kulturen - besprochen wurde. In diesem Sinne sind auch die russischen Vorschlдge ьber die Bildung des Beirates fьr Religionen unter der Дgide der UNO und die Initiative des Kцnigs Saudi-Arabiens Abdallah Ben Abdel Asis ьber die Aktivierung des interkonfessionellen Dialogs.
In Moskau wurden zwei internationale Konferenzen – „Russland – islamische Welt" und „Islam wird den Terrorismus besiegen" durchgefьhrt. In Kazan fand die internationale Investitionskonferenz unter Mitwirkung der Islamischen Entwicklungsbank statt. Unsere Beziehungen zur Islamischen Organisation fьr Bildung, Wissenschaft und Kultur (ISESCO) wurden gefestigt. Einen neuen Impuls verlieh ihnen der Besuch in Russland ihres Generaldirektors Abdulaziz Othman Altwaijri.
Russland ist fest gewillt, den Kurs auf den Ausbau des Zusammenwirkens mit der islamischen Welt auf verschiedenen Gebieten fortzusetzen. Und das ist schon zu einem wichtigen Faktor bei der Entwicklung eines polyzentrischen internationalen Systems geworden, das auf den Prinzipien der Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Solidaritдt aller Staaten angesichts gemeinsamer Herausforderungen beruhen soll.