Antwort des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, auf eine Frage der italienischen Nachrichtenagentur AGI am 4. März 2015
Frage: Wie bewerten Sie die russisch-italienischen Beziehungen zum aktuellen Zeitpunkt?
Sergej Lawrow: Die Beziehungen zwischen Russland und Italien haben traditionell einen vielschichtigen Charakter. Für diese Beziehungen sind gegenseitige Anerkennung und Berücksichtigung beiderseitiger Interessen charakteristisch. Während der letzten zwanzig Jahre wurde dank der gemeinsamen Bemühungen eine solide Grundlage der Zusammenarbeit, einschließlich solcher Mechanismen des Zusammenwirkens wie die zwischenstaatlichen Konsultationen auf höchster Ebene, der Russisch-italienische Rat für wirtschaftliche, industrielle und finanzielle Zusammenarbeit, das Außenminister- und Verteidigungsministertreffen im Format „zwei plus zwei“, die Große zwischenparlamentarische Kommission, das Dialogforum zu Fragen der Bürgergesellschaft ins Leben gerufen.
Es wurden wichtige Ergebnisse im Wirtschaftsbereich erzielt. Italien belegt den vierten Platz unter den Handelspartnern Russlands, italienische Firmen tätigten viele Investitionen in die russische Wirtschaft. Auf beiderseitig vorteilhafter Grundlage wurden zahlreiche gemeinsame Projekte erfolgreich ins Leben gerufen. Russland wird an der Weltausstellung Expo 2015 in Mailand teilnehmen, bei der unser Pavillon zu den zehn größten zählt. Nachhaltig entwickeln sich die zwischenregionalen Beziehungen, an denen über 40 russische Regionen teilnehmen.
Im kulturellen Bereich ist das Zusammenwirken weiterhin aussichtsreich. Es wurde im vorigen Jahr eine ganze Reihe von Kulturprojekten umgesetzt, wobei das Jahr des russischen Tourismus in Italien und des italienischen Tourismus in Russland als die wichtigsten galten. Vor dem Hintergrund der großen Abkühlung in den Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union wegen der innenpolitischen Krise in der Ukraine hat die Dynamik der russisch-italienischen Zusammenarbeit leider wesentlich nachgelassen. Es wurden keine wichtigen Veranstaltungen, einschließlich auf der höchsten Ebene, durchgeführt. Das bilaterale Handelsvolumen ging im Vergleich zu 2013 um 10 Prozent auf 48,4 Mrd. US-Dollar zurück. Es zeichnet sich eine Tendenz zum Rückgang des touristischen Austausches ab. Ich bin überzeugt, dass dieser Sachverhalt den grundlegenden Interessen unserer Staaten nicht entspricht.
Die 2014 stattgefundenen Treffen des Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, mit dem italienischen Ministerpräsident Matteo Renzi und Präsident Giorgio Napolitano, die Kontakte im Außenminister-Format zeigten das gegenseitige Interesse an der Erhaltung des während vieler Jahre erarbeiteten umfangreichen Ressource der bilateralen Zusammenarbeit. Wir begrüßen die Bereitschaft der italienischen Geschäftskreise, trotz der schwierigen Lage ihre Tätigkeit auf dem russischen Markt fortzusetzen.
Wir schätzen das Streben Italiens, die Situation auf dem europäischen Kontinent zu verbessern, Russland-EU-Beziehungen zu normalisieren und eine friedliche politische Regelung der innenukrainischen Krise zu fördern. Die Umsetzung aller Bestimmungen des am 12. Februar in Minsk vereinbarten Komplexes der Vereinbarungen zur friedlichen Regelung in der Ukraine soll alle diese Aufgaben lösen.
Unsererseits verstehen wir die besondere Besorgnis Italiens über Situation im südlichen Mittelmeer, besonders in Libyen. Wir berücksichtigen die berechtigten Interessen Roms im UN-Sicherheitsrat bei der Erörterung von praktischen Aufgaben zur Terrorbekämpfung und Stabilisierung der Lage im Nahen Osten und in Nordafrika.
Am 4. und 5. Mai erwarten wir Matteo Renzi zu einem Arbeitsbesuch in Moskau. Es sind Treffen mit dem Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, und dem Ministerpräsidenten der Russischen Föderation, Dmitri Medwedew, mit dem Ministerpräsidenten Italiens geplant. Wir rechnen damit, dass es zu einem für die russisch-italienischen Beziehungen charakteristischen konstruktiven und produktiven Gespräch zu den aktuellen bilateralen und internationalen Fragen kommen wird.