Zum Beschluss des Internationalen Gerichtshofs zu den jurisdiktionellen Einwendungen Russlands im Fall „Ukraine gegen die Russische Föderation“
PRESSEMITTEILUNG
Am 8. November verkündete der Internationale Gerichtshof in Den Haag seinen Beschluss bezüglich der jurisdiktionellen Einwendungen Russlands im Fall „Ukraine gegen die Russische Föderation“, der im Januar 2017 durch Kiew initiiert wurde, das Russland wegen der Verletzung des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus 1999 und Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung 1965 anklagte.
Bezüglich des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus wies das Gericht eine der wichtigsten Forderungen der Ukraine zurück, die darin besteht, dass Russland angeblich die völkerrechtliche Verantwortung als Staat-Sponsor des Terrorismus in der Ukraine tragen soll. Das Gericht unterstützte die Position Russlands, laut der die Fragen, die mit der Finanzierung des Terrorismus durch einen Staat bzw. seine Amtsträger verbunden sind, unabhängig von der Absurdität solcher Vorwürfe gegen Russland im Prinzip nicht durch das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus geregelt werden sollen und nicht als Verhandlungsgegenstand in diesem Fall betrachtet werden können. Zugleich ignorierte das Gericht de facto andere jurisdiktionellen Einwendungen Moskaus, womit der Ukraine ermöglicht wurde, den der russischen Seite aufgedrängten Streit bezüglich des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus zur Sachverhandlung zu bringen. Solche Position des Gerichts ist schwer zu erklären, weil das Gericht auf der Etappe der zeitweiligen Maßnahmen 2017 die Argumente Russlands unterstützte und zum Schluss kam, dass die Behauptungen der Ukraine über ihre angeblich verletzten Rechte bezüglich des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus nicht begründet (“glaubwürdig”) sind.
Das Gericht hat auch die jurisdiktionellen Einwendungen seitens Russlands zum Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung nicht wahrgenommen. Es stimmte unter anderem nicht zu, dass die der klagende Staat, bevor man nach dem Schutz im Internationalen Gerichtshof sucht, sich zunächst an den unter der Schutzherrschaft des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung geschaffenen Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung wenden soll, der die Einhaltung dieses Übereinkommens überwachen und auf seine Verletzungen reagieren soll. Die Ukraine machte das nicht.
Zudem wurden nicht die Einwendungen Russlands wegen der Nichteinhaltung der Forderung über die Ausschöpfung der inneren Schutzmittel als Vorbedingung für die Anrufung des Gerichts berücksichtigt. Auf dieser Etappe beurteilte das Gericht nicht die faktische Seite der ukrainischen Beschuldigungen sowie befasste sich nicht mit der Einstufung konkreter Handlungen als potentielle Fälle der Rassendiskriminierung.
Im Ergebnis hat die Ukraine es geschafft, die vorläufige Etappe zu überwinden und den Gerichtsprozess zur Sachverhandlung des Streits zu den beiden Übereinkommen zu bringen. Der Beschluss des Gerichts über das Vorhandensein bei ihm der Rechtshoheit bestimmt nicht den Ausgang des Falls voraus, darunter weil Russland zum 8. Dezember 2020 erst seine Gegenargumente zum Inhalt des Streites vorlegen soll.
Die Russische Föderation rechnet damit, dass der Internationale Gerichtshof auf der Etappe der Sachverhandlung des Streits die Position Russlands in vollem Maße berücksichtigen und allen ukrainischen Ansprüchen nicht stattgeben wird.