RIA-„NOWOSTI"-INTERVIEW ALEXANDER JAKOWENKOS, AMTLICHER SPRECHER DES AUßENMINISTERIUMS RUSSLANDS, ÜBER DIE BEZIEHUNGEN RUSSLANDS ZUR EUROPÄISCHEN UNION AM VORABEND DES GIPFELTREFFENS IN BRÜSSEL AM 11. NOVEMBER
Frage: Am 11. November soll in Brьssel ein Gipfeltreffen Russland - EU stattfinden. Welche Bedeutung kann es fьr die Entwicklung der Beziehungen unseres Landes zur Europдischen Union haben?
Antwort: Wir sehen die Durchfьhrung des 10. Gipfeltreffens Russland - EU als eine wichtige Etappe in der fortschreitenden Entwicklung der Beziehungen zur Europдischen Union an. Die strategische Partnerschaft mit der EU nimmt pragmatischen und dynamischen Charakter an, in dem die realen Interessen beider Seiten, die dringende Notwendigkeit berьcksichtigt werden, die Anstrengungen beim Widerstand gegen neue Drohungen und Herausforderungen zu vereinigen.
Die tragischen Ereignisse in Moskau im Zusammenhang mit der Geiselnahme haben den Vorbereitungen zum Treffen ihren Stempel aufgedrьckt und Korrekturen an den Prioritдten in unseren Beziehungen vorgenommen. In den Vordergrund rьcken Fragen einer intensiveren Zusammenarbeit zwischen Russland und der EU im Kampf gegen den Terrorismus, auf dem Gebiet der Sicherheit, der beschleunigten Umsetzung von Plдnen der Schaffung eines gemeinsamen Rechtsschutzraums.
Wir rechnen damit, dass es uns gelingen wird, beim Gipfel die Wege eines intensiveren Zusammenwirkens mit der EU in antiterroristischer Richtung festzulegen, darunter beim Absperren der Kanдle der finanziellen und sonstigen Spritzen fьr den tschetschenischen Terrorismus.
Empцrend ist in dieser Situation die Position des dдnischen Vorsitzes, der zulieЯ, dass in Kopenhagen kurz vor dem Gipfel Russland - EU, am Tag der Trauer Russlands um die umgekommenen Geiseln ein „Tschetschenischer Weltkongress" abgehalten wurde, an dem Personen teilnahmen, die mit den Terrorakten in Moskau und in anderen Regionen Russlands zu tun haben.
Diese Tatsache sowie die Notwendigkeit, einen substantiellen Dialog mit der EU von oberflдchlichen, vorьbergehenden Elementen zu trennen, die der dдnische Vorsitz hineingetragen hat, waren der Grund dafьr, dass der Durchfьhrungsort des Gipfels Russland - EU aus Kopenhagen nach Brьssel verlegt wurde. Wir hoffen, dass die dдnische Seite daraus Schlьsse gezogen hat.
Frage: Welche Richtungen in der Zusammenarbeit zwischen Russland und der EU erscheinen gegenwдrtig am wichtigsten?
Antwort: Besonders aktuell wird es, unserer Partnerschaft im Bereich der AuЯenpolitik und der Sicherheit mit Rьcksicht auf die Entwicklungsdynamik der gemeinsamen AuЯen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU und ihrer operativen Komponente - der Europдischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik - einen konkreten Inhalt zu verleihen.
Wir sind dafьr, der Zusammenarbeit in diesem Bereich bestдndigen und langfristigen Charakter zu verleihen, und zwar auf der Basis des beiderseitigen Nutzens, im Interesse der Festigung des Weltfriedens und der Stabilitдt, der Entwicklung der Schlьsselelemente der neuen europдischen Sicherheitsarchitektur.
Die Zusammenarbeit Russland - EU im Bereich der Justiz und der inneren Angelegenheiten fьhrt zum Formen bestдndiger Mechanismen des Widerstands gegen den Terrorismus und die grenzьberschreitende Kriminalitдt. Die regelmдЯigen Zusammenkьnfte von Ministern Russlands und der EU-Lдnder entwickeln sich zu Mechanismen, die dazu beitragen, bei der Schaffung eines gemeinsamen Rechtsschutzraums die Prioritдten zu formen und zu koordinieren sowie konkrete MaЯnahmen des Zusammenwirkens auszuarbeiten. Das bestдtigte auch das Moskauer Treffen der Innen- und der Justizminister Russlands und der EU-Troika vom 5. November. Auf der Tagesordnung steht der Abschluss eines Abkommens ьber die Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium Russlands und der Europol.
Eine positive Dynamik kennzeichnet die Entwicklung des Energie-Dialogs zwischen Russland und der EU. Am 5. November wurde in Moskau das Zentrum der Energie-Technologien erцffnet, dessen Grьndung im Rahmen der energetischen Partnerschaft Russland - EU vorgesehen war. Es wird erwartet, dass beim Gipfeltreffen der ordentliche (dritte) Zusammenfassende Bericht ьber den Dialog im Energiebereich gebilligt wird.
Ein bestimmter Fortschritt wurde ferner bei der Arbeit an der Formulierung des Konzeptes des gemeinsamen europдischen Wirtschaftsraumes erreicht. Bei der Umsetzung des Arbeitsplans fьr die Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes haben unabhдngige russische Experten Untersuchungen ьber konzeptuelle Aspekte dieses Raumes, die Rechnungsfьhrung und Wirtschaftsprьfung, die Standardisierung und technische Regulierung, die Alu-Industrie vorbereitet. Die Forschungsarbeit der Experten der EU-Kommission zeigte, dass sich die Schaffung eines gemeinsamen europдischen Wirtschaftsraumes auf der Basis eines umfassenden Abkommens ьber die Freihandelszone Russland - EU gьnstig auf die Erhцhung des Wohlstands beider Seiten auswirken wird.
Frage: Welchen Platz nimmt die Problematik der EU-Erweiterung im Dialog zwischen Russland und der Union ein?
Antwort: Die EU-Erweiterung in Kombination mit kьnftigen Verдnderungen im Funktionieren der Mechanismen der Europдischen Union ist Gegenstand einer besonderen Aufmerksamkeit Russlands. Die Entwicklung die EU, die in vieler Hinsicht das neue Antlitz Europas prдgen wird, darf nicht zur Entstehung neuer Trennungslinien, zum Ignorieren der Interessen von Drittlдndern fьhren. Die Transformation der EU wird unvermeidlich Korrekturen auch am Mechanismus der partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Russland und der Europдischen Union zwecks allmдhlicher Intensivierung der Integration erfordern.
Angesichts der positiven Entwicklung auf einzelnen Sektoren der Zusammenarbeit kommt es zu keinem wesentlichen Vorankommen in Fragen, die mit den Besorgnissen Russlands anlдsslich der EU-Erweiterung verbunden sind.
Wir vertreten grundsдtzlich den Standpunkt, dass es notwendig ist, mцglichst bald die Verhandlungen mit der Europдischen Union und den Lдndern, die sich ihr anschlieЯen werden, einzuleiten; Ziel dieser Verhandlungen ist komplexe Erцrterung und Beseitigung von Russlands Besorgnissen.
Sonst kann sich diese Frage zu einem Hindernis bei den Verhandlungen darьber auswachsen, dass das Abkommen ьber die Partnerschaft und Zusammenarbeit Russland - EU auf die neuen EU-Mitgliedslдnder erstreckt werden soll.
Einen besonderen Platz nimmt im Dialog Russland - EU die Erцrterung der Lebenssicherheit des Gebiets Kaliningrad im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung ein. Nach wie vor gehen wir davon aus, dass bei der Ausarbeitung einer Kompromisslцsung ьber Transitfragen nicht nur die Forderungen der EU und Litauens, sondern auch die legitimen Interessen der Bьrger Russlands berьcksichtigt werden mьssen, die das Recht auf ungehinderten Verkehr zwischen dem Hauptteil des Territoriums Russlands und dem Gebiet Kaliningrad haben. Die Rede ist in erster Linie von der Aufrechterhaltung des visafreien Transitregimes bei Reisen von Russlands Bьrgern nach und von Kaliningrad (Stadt und Gebiet) ьber Litauen mit dem Zug.
Das Finden von beiderseitig annehmbaren Lцsungen fьr Probleme der Lebenssicherung des Gebiets Kaliningrad soll ein anschauliches und ьberzeugendes Zeugnis dafьr sein, dass sich die Beziehungen der strategischen Partnerschaft zwischen Russland und der Europдischen Union formen und einen Schritt vorwдrts bei der Gestaltung eines neuen Europa, eines Europa ohne Trennungslinien, bedeuten.
Frage: Gibt es einen Fortschritt bei der Anerkennung des marktwirtschaftlichen Charakters von Russlands Цkonomik durch die Europдische Union?
Antwort: GemдЯ dem Versprechen, das die Europдische Union beim Gipfeltreffen im Mai in Moskau gab, den marktwirtschaftlichen Status von Russlands Цkonomik anzuerkennen, erwarten wir eine Bestдtigung dafьr, dass entsprechende Дnderungen an der Gesetzgebung der Europдischen Union zwecks Antidumping-Schutzes vorgenommen werden.
Leider zeugen die ersten Schдtzungen solcher Verдnderungen von der Mцglichkeit, dass russische Exporteure der energieintensiven Produktion im Zuge der Antidumping-Untersuchungen weiterhin diskriminiert werden kцnnen, wenn sich solche Untersuchungen auf der bestehenden Differenz zwischen Inlands- und Exportpreisen fьr die Energietrдger basieren.
Beispiele dafьr sind schon da, was bei der russischen Seite Besorgnis hervorruft, denn ein solches Herangehen fьhrt zum Ignorieren der natьrlichen Konkurrenzvorzьge von Russlands Wirtschaft und zur Fortsetzung der protektionistischen EU-Politik. Wir gehen von Folgendem aus: Der Charakter der Partnerbeziehungen zwischen Russland und der EU erfordert es, dass der marktwirtschaftliche Status Russlands in vollem Umfang ohne jede Ausnahme anerkannt wird, was Bedingungen fьr den Ausbau unserer Handels- und Wirtschaftskontakte schafft.
Frage: Wie entwickelt sich die Zusammenarbeit Russlands mit den Lдndern der Europдischen Union in den internationalen Angelegenheiten?
Antwort: Das Zusammenwirken mit der Europдischen Union in mehreren aktuellen internationalen Fragen zeugt davon, dass in vielen davon unsere Positionen einander nahe sind oder ьbereinstimmen. Wir sind uns einig in der Erkenntnis der Notwendigkeit, nach gemeinsamen Antworten auf neue globale Drohungen und Herausforderungen zu suchen, Krisensituationen zu ьberwinden, insbesondere die um Irak, im Nahen Osten und in Afghanistan.