Stenogramm des Auftritts und der Antworten auf Fragen der Medien Außenministers Russlands Sergej Lavrov auf gemeinsamer Pressekonferenz zu Ergebnissen der Verhandlungen mit Außenministerin Mexikos Patricia Espinoza, Moskau, 8. Oktober 2008
Sergej Lavrov: Geehrte Kollegen,
im Mittelpunkt unserer heutigen Verhandlungen standen bilaterale Beziehungen, vor allem im handelswirtschaftlichen Bereich. Russland und Mexiko sind an der Diversifizierung des schnell wachsenden, aber den Möglichkeiten beider Länder noch nicht entsprechenden Warenumsatz interessiert. Wir sind an der Erarbeitung neuer großer gemeinsamer Vorhaben interessiert, insbesondere im Energiebereich. Wir rechnen damit, dass die vierte Sitzung der Gemischten Russisch-Mexikanischen Kommission für wirtschaftliche und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit sowie Zusammenarbeit im Handelsbereich und im Seeschifffahrt, die in diesem Jahr stattfinden soll, einen neuen Anstoß in dieser Richtung geben wird. Es ist auch geplant, das zweite bilaterale Geschäftsforum durchzuführen.
Bei unseren heutigen Verhandlungen haben wir den Schwerpunkt auf wirtschaftliche Probleme bzw. auf die Finanzkrise gelegt. Wir haben vereinbart, in diesen Fragen auf bilateraler Ebene zu kooperieren und internationale Initiativen mit den führenden Wirtschaften der Welt zu unterstützen.
Wir sind mit der Entwicklung der humanitär-kulturellen Kontakte, mit den Umtauschen, die es auf diesem Gebiet gibt und die geplant werden, zufrieden. Wir erwarten, dass Mexikos Tage in Moskau im nächsten Monat zu einem bemerkenswerten Ereignis in unseren Beziehungen werden.
Selbstverständlich sind wir an der Entwicklung unserer Zusammenarbeit in internationalen Angelegenheiten in verschiedenen Formaten interessiert, u.a. in der UNO, in deren spezifischen Einrichtungen, in APEC, sowie am Dialog im Rahmen des Prozesses von Heiligendamm und in G8. Das fördert die Entwicklung einer neuen und sichereren Weltordnung mit zentraler Rolle der Vereinten Nationen und Hoheit des Völkerrechts.
Wir haben ein besonderes Augenmerk auf die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, des Drogenhandels gelegt. Dieses Thema wird auch in unseren bilateralen Beziehungen immer mehr zum Ausdruck kommen. Russland und Mexiko werden die Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung dieser Erscheinungen aktiv unterstützen.
Wir unterstützen Mexikos ausgewogene Haltung bei der Regelung von verschiedenen Konflikten und Krisen. Mexiko tritt für die strikte Einhaltung der Völkerrechtsnormen traditionell ein. In unserer gemeinsamen Erklärung, die soeben unterzeichnet wurde, haben wir die Regelung im Kaukasus aufgrund der Vereinbarungen zwischen den Präsidenten Russlands und Frankreichs bekräftigt.
Russland hat sein Interesse an der allseitigen Zusammenarbeit mit regionalen Vereinigungen Lateinamerikas erneut bekundet. Wir sehen in Lateinamerika ein neues sich herausbildendes Zentrum des Wirtschaftswachstums und des politischen Einflusses. Wir glauben, dass es den objektiven Trends der Entwicklung der multipolaren Weltordnung entspricht.
Ich möchte auch Mexiko als momentanen Präsident der Rio-Gruppe gratulieren, denn diese Vereinigung arbeitet gut und hat die eine Reihe von Problemen der Region gelöst. Ich will mich bei dem mexikanischen Vorsitz in der Rio-Gruppe für die Entwicklung von Mechanismen des Zusammenwirkens zwischen dieser Vereinigung und der Russischen Föderation bedanken. Im Rahmen der Sitzung der UN-Vollversammlung in New York fand ein turnusmäßiges Treffen zwischen Russland und der Rio-Gruppe auf der Ministerebene statt. Es war erfolgreich und fruchtbar.
Im Ganzen und Großen sind wir mit den Verhandlungen zufrieden, und ich danke Frau Patricia Espinoza für die Zusammenarbeit.
Frage: Sind auf den Verhandlungen in Genf Fortschritte im Kaukasus-Problem zu erwarten?
Sergej Lavrov: Wir hoffen, dass die Genfer Gespräche, die nach Medevedev-Sarkozy-Plan am 15. Oktober beginnen sollen - jetzt werden Organisationsfragen und Prozedera abgestimmt - zu den Abkommen führen werden, die die Sicherheit in der Region festigen werden. Ausgerechnet diese Frage ist laut Medevedev-Sarkozy-Plan die wichtigste bei diesen internationalen Gesprächen. Ich bin überzeugt, dass wir mit der Stationierung der EU-Beobachter in den an Südossetien und Abchasien grenzenden Regionen konkrete Schritte erörtern sollen, die neue Gewaltanwendung verhindern werden. Die Europäische Union hat sich zum Garant der Nichtanwendung von Gewalt gegen Südossetien und Abchasien erklärt. In Genf müssen wir darüber nachdenken, wie diese Rolle mit realen Inhalten gefüllt werden kann. Wahrscheinlich sollte in den an Südossetien und Abchasien grenzenden Regionen Georgiens ein besonderes Regime eingeführt und strikt eingehalten werden, das Provokationen verhindert. Leider gab es solche Provokationen seitens Georgiens während der Stationierung der EU-Beobachter. Laut Medvedev-Sarkozy-Plan muss auch die Erfüllung von Verpflichtungen der georgischen Seite kontrolliert werden, die ihre Truppen zu deren festen Stationierungsort zurückziehen soll. Wir wollen, dass internationale Beobachter in Georgien auch Monitoring der Regionen führen, von denen Artilleriebeschuss von Zchinwal und anderen Ortschaften Südossetiens geführt wurde.
Wir sind der Ansicht, dass der idealen Lösung des Problems der Gewährleistung der Sicherheit Embargo auf Waffenlieferungen für das gegenwärtige georgische Regime entsprechen würde. Wir sind tief überzeugt, dass das internationale Verbot auf Lieferungen von Angriffswaffen nach Georgien dringend notwendig ist.
All diese Fragen werden wir im Rahmen der Hauptfrage der Agenda der Genfer Gespräche erörtern. Das ist laut Medvedev-Sarkozy-Plan die Frage nach den Wegen zur Festigung der Sicherheit und Stabilität in der Region. Wir rechnen mit der konstruktiven Teilnahme auch aller anderen an diesen Gesprächen.
Frage: Hat sich das Verhalten der ausländischen Partner zum Vorschlag des russischen Präsidenten geändert, ein neues System der internationalen Sicherheit zu entwickeln? Dieses System soll die Finanzkrise berücksichtigen, die gegenseitige Abhängigkeit der Länder zum Vorschein gebracht hat.
Sergej Lavrov: Die Initiative des Präsidenten Dmitri Medvedev über die Erarbeitung eines neuen Vertrags über europäische, euroatlantische Sicherheit wird ohne direkten Bezug auf die Finanzkrise erörtert. Wir spüren das wachsende Interesse an der Initiative, diesen europäischen Vertrags auszuarbeiten. Für die nächste Zeit sind Beratungen zu dieser Frage in der OVKS geplant. Und wir haben eine Reihe von Vorschlägen von unseren europäischen Partnern, die solche Beratungen durchführen wollen. Ich bin überzeugt, dass die Entwicklung nach der Kaukasus-Krise immer mehr Staaten veranlassen wird, darüber nachzudenken. Denn die alte und noch existierende Sicherheitsarchitektur in Europa wurde aus den Zeiten des Kalten Krieges geerbt. Sie ist den Aufgaben der Aufrechterhaltung des Friedens und der Stabilität in diesem Raum nicht gewachsen. Deshalb werden wir an diesem Thema arbeiten, unseren Partnern zuhören, auch Experten einbeziehen. Heute will Präsident Medvedev auf der Konferenz über Weltpolitik in Evian zu diesem Thema ausführlich sprechen. Das hat er gestern auf seiner Homepage mitgeteilt.
Was die Finanzkrise betrifft, so hat dieses Thema mit dem Thema Sicherheit nur insofern zu tun, dass auch in diesem Falle das vorhandene Modell nicht funktioniert hat. Die Ereignisse der letzten Wochen haben deutlich gezeigt, dass auch auf dem Gebiet der internationalen Finanzen bedeutende Reformen notwendig sind.
Russland und Mexiko verstehen, dass es notwendig ist und sind gewillt, die Gespräche zu diesem äußerst wichtigen Problem auf der internationalen Ebene zu fördern.
8. Oktober 2008