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Arbeitstreffen des Außenministers der Russischen Föderation, Sergej Lawrow, mit dem Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, Moskau, 14. Februar 2022

243-14-02-2022

Sehr geehrter Herr Putin,

wir arbeiten in Ihrem Auftrag seit Mitte Dezember 2021, als unsere Initiativen den USA und Mitgliedern der Nato vorgelegt wurden. Mitte Januar dieses Jahres fanden Treffen mit der US-Delegation und im Russland-Nato-Rat statt, bei denen wir die Bedeutung unserer Initiativen zur Lösung der wichtigsten Sicherheitsprobleme im euroatlantischen Raum substanziell darlegten. Im Anschluss bat US-Außenminister Antony Blinken mich um ein separates Treffen, um einige Fragen zusätzlich zu präzisieren, was wir auch taten, und trafen uns am 21. Januar in Genf.

Nach einigen Tagen, am 25. Januar, schickten die USA und die Nato Antworten. Wir analysierten sie zusammen mit den Kollegen im ressortübergreifenden Format. Uns interessiert in erster Linie die Antwort der USA, weil allen klar ist, wer die Hauptrolle bei der Lösung dieser Fragen im westlichen Lager spielt. Sie besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil wird auf drei unserer wichtigsten Anliegen reagiert, die wir festgestellt haben: Nichterweiterung der Nato, Nichtstationierung von Offensivwaffen, die uns bedrohen, und generell die Rückkehr zur militärtechnischen Konfiguration Europas im Jahr 1997, als die Russland-Nato-Grundakte unterzeichnet wurde. Darin wurde zum ersten Mal in diesem Format die Aufgabe der Gewährleistung der Unteilbarkeit der Sicherheit zum Ausdruck gebracht.

Bei diesen Fragen ist die Antwort negativ. Sie kann uns nicht zufriedenstellen. Es wurde gesagt, dass das Recht eines anderen Staates, Bündnisse zu wählen, ihnen beizutreten und sie zu ändern, über allem steht. Das steht angeblich „außer Diskussion“. Wir erinnern die Amerikaner und andere westlichen Kollegen daran, dass dieses Recht, das in den Beschlüssen der OSZE auf der höchsten Ebene bei den Gipfeln 1999 in Istanbul und 2020 in Astana, 2002 in der Römischen Russland-Nato-Erklärung, 2010 in der Lissaboner Deklaration des Russland-Nato-Gipfels festgelegt wurde, nicht bedingungslos ist.  Es ist direkt durch andere Dinge bedingt, die durch einen Konsens als Paket unterstützt wurden.

Der zweite Teil dieses Pakets besteht darin, dass das Recht jedes Staates, die Bündnisse zu wählen, durch seine Verpflichtung beschränkt wird, die eigene Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit eines anderen Staates zu festigen. Ein wichtiger Aspekt besteht darin, dass kein Land bzw. Staatengruppe, Organisation im OSZE-Raum dominieren darf. Leider beobachten wir Versuche der Nato-Kollegen und der EU, die nach ihrem Platz sucht, irgendwie etwas zu machen, damit gerade sie die weitere Entwicklung unseres Kontinents bestimmen sollen. Deswegen schickte ich im Zeitraum zwischen Ihren Kontakten und denen der Außenminister eine Sonderbotschaft an alle unseren westlichen Kollegen. Ich machte darauf aufmerksam, dass die Verpflichtungen hinsichtlich der Unteilbarkeit der Sicherheit viel gravierender und komplexer sind, als sie das darstellen wollen, indem der Nato-Beitritt der Ukraine gerechtfertigt wird. In Klammern sichern sie zu, dass „es bislang dazu nicht gekommen ist“, „es kommt noch nicht bald zustande“. Wir wissen alle, wie Zusicherungen dieser Art funktionieren.

Ich habe keine zufriedenstellenden Antworten erhalten. Niemand von den Amtskollegen hat auf meine direkte Botschaft geantwortet. Wir bekamen zwei kleine Papiere, das eine vom Beamten Jens Stoltenberg, Nato-Generalsekretär, das zweite vom Beamten Josep Borrell, EU-Außenamtschef. Darin steht geschrieben, dass „wir uns keine Sorgen machen sollen“, „man den Dialog fortsetzen sollte“, am wichtigsten sei es, „die Deeskalation um die Ukraine zu gewährleisten“. Ich denke, dass es sich dabei um eine Nichtbeachtung der Richtlinie handelt, die auf der höchsten Ebene festgelegt wurde, laut der keine Organisation sich als dominierend im euroatlantischen Raum bezeichnen werden darf. Wir werden weiterhin eine konkrete Reaktion von jedem Land anstreben. Alle erwähnten Dokumente wurden auf nationaler Ebene unterzeichnet. Auf nationaler Ebene sollte man auch für die Inhalte und Verpflichtungen gemäß diesen Dokumenten haften. Das betrifft auch den ersten Teil der US-Antwort, den wir für ungenügend betrachten.

Der zweite Teil hat in gewissem Sinne einen konstruktiven Charakter. Darin sind ziemlich konkrete Maßnahmen bezüglich der Lösung der Probleme der bodengestützten Kurz- und Mittelstreckenraketen (nachdem die USA den entsprechenden Vertrag, den INF-Vertrag zunichte gemacht hatten) vorgesehen. Darin sind auch konkrete Vorschläge zu einer ganzen Reihe von Schritten zur Verringerung militärischer Risiken, Vertrauensmaßnahmen und militärischer Transparenz enthalten. Bemerkenswert ist, dass fast alle Bestandteile, die von Amerikanern in ihre Antwort gestellt wurden, die Initiativen widerspiegeln, die von der Russischen Föderation in den vergangenen Jahren vorangetrieben wurden. Bezüglich der Kurz- und Mittelstreckenraketen warten wir seit September 2020 auf Antworten auf Ihre Botschaft. Darin wurde vorgeschlagen, gegenseitige und gegenseitig prüfbare Moratorien für die Stationierung dieser Waffentypen in Europa zu vereinbaren. Niemand antwortete darauf. Es handelt sich um Maßnahmen zum Abzug der Übungen von der Russland-Nato-Kontaktlinie, Abstimmung der maximalen Distanz der Annäherung von Kampfflugzeugen und Schiffen und eine ganze Reihe anderer militärtechnischer vertrauensfördernder Maßnahmen, die in den Vorschlägen des Generalstabs Russlands, welche 2020 an die Nato geschickt wurden, enthalten waren. Auch ihnen wurde keine Aufmerksamkeit geschenkt.

Gegenwärtig folgt auf alle russischen Initiativen eine ziemlich konkrete Reaktion – die Bereitschaft, in ernsthafte Verhandlungen einzugehen. Es ist offensichtlich, dass unsere Initiative zu den Sicherheitsgarantien, in der wir unsere ureigenen Interessen darlegten, die westlichen Kollegen erschütterte und zum Grund wurde, von dem aus sie nicht mehr in der Lage waren, viele unsere früheren Appelle zu ignorieren.

Hier können wir sehen, wie man sich bei diesen Richtungen vorwärtsbewegen kann, doch ausschließlich im Rahmen der Aufrechterhaltung der Einheitlichkeit unserer Initiative vom Dezember 2021 und Gewährleistung eines komplexen Herangehens. Es besteht nicht nur in irgendwelchen konkreten Vereinbarungen zu zwar wichtigen, aber branchenbezogenen, einzelnen, zweitrangigen Aspekten der Aufrechterhaltung der Militärsicherheit, vor allem im Kontext der rechtlichen Regelung von Fragen, die heute die euroatlantische Region bedrohen. Ich meine das, womit wir die russischen Initiativen begannen (Sie haben das ebenfalls mehrmals hervorgehoben, darunter bei den letzten Telefongesprächen, auf der Pressekonferenz): Gewährleistung der Unteilbarkeit der Sicherheit, einschließlich der Nichterweiterung der Nato, Nichtstationierung der Offensivwaffen und Rückkehr zur Konfiguration von 1997.

Das Außenministerium ist überzeugt, dass dieses Herangehen bei uns auf der Tagesordnung ganz oben stehen sollte. Bei der Entwicklung eines Dialogs bei einigen Aspekten, die schon jetzt eine praktische Bedeutung haben, mit unseren westlichen, vor allem amerikanischen Kollegen, werden wir parallel von ihnen die Antworten auf legitime Fragen, die wir gestellt und Sie mehrmals bestätigt haben, anstreben. Auf der Pressekonferenz mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron haben Sie die Aussichten auf die Einbeziehung der Ukraine in die Nato unter den heutigen Bedingungen, angesichts der Ambitionen der Kiewer Führung anschaulich dargelegt.

Wladimir Putin: Wie meinen Sie, gibt es noch eine Chance, mit unseren Partnern zu den wichtigsten Fragen, die bei uns Besorgnisse auslösen, eine Vereinbarung zu erreichen? Oder ist es einfach ein Versuch, uns in einen endlosen Verhandlungsprozess, der kein logisches Ende hat, zu verwickeln?

Sergej Lawrow: Sie, wir und andere Vertreter Russlands sagten bereits mehrmals, dass wir vor der Unzulässigkeit der endlosen Gespräche zu den Fragen, die heute eine Lösung erfordern, warnen. Als Außenminister kann ich sagen, dass es immer eine Chance gibt.

Sie hatten Kontakte mit den Staats- und Regierungschefs der USA, Frankreichs. Morgen kommt der Bundeskanzler Deutschlands. Amtskollegen wenden sich an mich. Morgen wird in Moskau der Außenminister Polens weilen, zudem wird es weitere Kontakte geben. Wir arbeiten kontinuierlich, halten uns an die Erläuterung davon, dass wir Recht haben, und sind bereit, ernsthafte Gegenargumente zu hören. Mir scheint, dass unsere Möglichkeiten bei weitem nicht ausgeschöpft sind. Sie sollten nicht endlos dauern, doch in dieser Etappe würde ich vorschlagen, sie fortzusetzen und auszubauen.

Wladimir Putin: Gut. Haben Sie bereits einen Entwurf einer Antwort auf die Dokumente, die wir aus Brüssel und Washington bekamen? Wurde sie vorbereitet?

Sergej Lawrow: Sie ist auf zehn Seiten formuliert worden.

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