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Antworten des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, in der Pressekonferenz nach den Verhandlungen mit dem Außenminister der USA, Antony Blinken, am 21. Januar 2022 in Genf

85-21-01-2022

Frage: Das Treffen hat nur eineinhalb Stunden gedauert, wie auch geplant worden war. Ist das ein schlechtes Zeichen? Bedeutet das, dass es nichts zu besprechen gibt?

Sergej Lawrow: Pünktlichkeit ist grundsätzlich kein schlechtes Zeichen. Wir hatten eben ein Treffen für eineinhalb Stunden geplant. Es war ungefähr klar, was wir besprechen würden. Es war nicht nötig, all das wiederzugeben, was bei den russisch-amerikanischen Verhandlungen am 10. Januar in Genf und in der Sitzung des Russland-Nato-Rats am 12. Januar gesagt worden war.

Wir haben die erste Reaktion der USA (vorerst die mündliche) darauf gehört, was in den zwei Formaten auf dem Niveau unserer Stellvertreter behandelt worden war. Wie die amerikanische Seite auch gebeten hatte, als sie dieses Treffen initiierte, war diese Reaktion vorläufig. Man hatte uns im Voraus gewarnt. Es gab präzisierende Fragen an uns, und die Antworten darauf werden Washington helfen (das hatte Antony Blinken mir noch per Telefon gesagt), eine schriftliche Reaktion auf unsere schriftlichen Entwürfe des Vertrags mit den USA und des Abkommens mit der Nato vorzubereiten.

Heute ist das alles auch passiert.

Frage: In den 1970er-Jahren, als die Vereinbarungen von Helsinki unterzeichnet wurden, hatten die Verhandlungen drei Jahre in Anspruch genommen. 2009 schlugen wir einen Vertrag über europäische Sicherheit vor, doch dieser ist „in den Sand gelaufen“. Haben Sie jetzt den Eindruck, von dem gleich nach der Vorlegung unseres Plans hinsichtlich der „roten Linien“ gesprochen wurde, dass die Abkommen „weggeredet“ werden könnten, und dass die USA nur Zeit schinden?

Sergej Lawrow: Die Erfahrungen meiner Gespräche mit unseren westlichen Kollegen über die Problematik der europäischen Sicherheit beinhalten etliche Beispiele dafür, dass man etwas versprochen, aber nie erfüllt hatte. Ich zitierte schon den US-Präsidenten Gerald Ford, der gleich nach der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki 1975 feierlich gesagt hatte: „Die Geschichte wird über diese Beratung nicht daran urteilen, was wir heute hier sagen, sondern daran, was wir morgen tun werden – nicht an den Versprechen, die wir geben, sondern an den Versprechen, die wir erfüllen.“ Bei unseren amerikanischen Kollegen und den anderen Westeuropäern und Nato-Mitgliedern ist damit nicht alles in Ordnung. Wir haben heute wieder einige Argumente bezüglich der Freiheit der Wahl von Allianzen und Militärbündnissen gehört. Wir führten eine ganze Reihe von Argumenten an, dass diese Freiheit zur Wahl von Bündnissen durch die Notwendigkeit bedingt ist, jegliche Schritte zu vermeiden, die die Sicherheit eines Staates auf Kosten der Sicherheit anderer festigen. Wir baten Antony Blinken und sein Team, zu erklären, wie sie diesen Teil der Verpflichtungen deuten, die in der OSZE auf politischer Ebene vereinbart und häufiger bekräftigt worden waren.

Das war ein vorläufiges Treffen. US-Außenminister Blinken sagte, er sei mit dem Meinungsaustausch zufrieden, der ihnen helfen sollte, uns in der kommenden Woche (das wurde mehrmals betont) ihre schriftliche Reaktion zu präsentieren.

Frage: Gestern veröffentlichte das US-Außenministerium Informationen, dass es seitens der Ukraine keine Drohungen in Richtung Russland gebe. Dort stand geschrieben, der Sender RT wäre für die Propaganda des Neonazismus und der rechtsorientierten Gruppen in der Ukraine verantwortlich. Auch Human Rights Watch hatte davon geschrieben. Wie ist die Reaktion des Außenministeriums Russlands auf diese Erklärungen des US-Außenministeriums? Wie hat die Aufstockung der Waffenlieferungen an die Ukraine aus den USA und Großbritannien die Verhandlungen beeinflusst?

Sergej Lawrow: Sie haben schon selbst alles für mich gesagt. Es ist ja unmöglich, die Papiere, die das US-Außenministerium speziell zum heutigen Treffen vorbereitet hat, zu lesen. Wir haben eine spezielle Abteilung, an deren Spitze die offizielle Sprecherin des Ministeriums steht. Ihre Aufgabe ist, das alles zu analysieren. Die Reaktion ist bereits erfolgt. Ich denke nicht, dass ich jetzt etwas zusätzlich kommentieren muss. Es genügt ja, diese Papiere durchzublättern, und man kann ja jede Seite öffnen, um sich zu überzeugen: Alles, was dort geschrieben steht, kann keine kritischen Analyse standhalten. In den meisten Fällen sind das absolute Lügen.

Was die Drohungen angeht, so haben wir die Ukraine besprochen. Unsere US-Kollegen versuchten wieder, in den Vordergrund Probleme an der Grenze Russlands und der Ukraine zu stellen. Sie versuchten, alles andere durch die Notwendigkeit einer „Deeskalation“ zu bedingen. Das ist ja inzwischen eine Art Mantra. Zum Abschluss wurde die Vereinbarung getroffen, dass man uns in der nächsten Woche schriftliche Antworten auf alle unsere Vorschläge präsentieren wird.

Sie haben die Erklärung erwähnt, dass die Ukraine keine Gefahr für Russland wäre. Ich darf diejenigen, die unsere öffentlichen Auftritte und Positionen analysieren, daran erinnern, dass Russland (nämlich seine offiziellen Vertreter) nirgendwo, niemals, kein einziges Mal dem ukrainischen Volk gedroht hat. Präsident Selenski, den unsere westlichen Kollegen quasi betreuen, dessen Ausschreitungen sie loben, erklärte in der Öffentlichkeit, dass falls sich jemand von ukrainischen Bürgern als Russe wahrnehme, der sollte „nach Russland abhauen“. Die Menschen, die in der Donbass-Region dem staatlichen Terrorismus seitens des Kiewer Regimes widerstehen, bezeichnete er nicht als Menschen, sondern als „Exemplare“.  Es ist ja eine große Frage, wer wen bedroht und worin diese Drohungen ausarten könnten.

Wir schließen nicht aus, dass diese ganze Hysterie, die unsere westlichen Kollegen anspornen, das Ziel verfolgt, irgendwelche ukrainische Gewaltaktionen im Donezbecken zu provozieren oder mindestens die Handlungen des Kiewer Regimes zwecks Sabotage der Minsker Vereinbarungen zu decken. Eine andere Erklärung sehe ich da nicht.

Alle Antworten auf die gestellten Fragen haben wir präsentiert. Unsere westlichen Kollegen räumen ein, dass dies russisches Territorium ist, allerdings hätten wir dort „viel zu viele Truppen versammelt“. Dabei wird sofort, im gleichen Satz, erklärt: Alles, was die Amerikaner mit ihren Truppen in Europa tun, gehe uns gar nichts an. Das haben wir mit Antony Blinken offen besprochen. Er stimmte zu, dass der Dialog möglichst vernünftig geführt werden sollte. Ich hoffe, die Emotionen werden noch nachlassen, auch wenn es keine Garantien dafür gibt.

Frage: Wurden im Kontext der Fragen, die Russland aufgeworfen hatte, Fortschritte gemacht, insbesondere im Sicherheitsbereich? Wie  können Sie Ihre Reaktion bezeichnen: Sind Sie zufrieden oder enttäuscht? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit eines Kriegs in Europa wegen irgendeines Fehlers angesichts der riesigen Konzentration der Truppen unweit der Ukraine? Viele fragen sich, warum Russland das ausgerechnet jetzt tut. Warum halten Sie das für nötig, während die Vorgehensweise der Nato in den letzten paar Jahren sich nicht verändert hat?

Sergej Lawrow: Das US-Außenministerium sollte noch die Arbeitsmethoden von CNN analysieren, was die Fairness der Informationen, die Ordentlichkeit bei der Darstellung von Fakten angeht. Sie behaupten, Russland wolle die Ukraine überfallen. Wir erklärten schon öfter, warum das nicht stimmt. Indem Sie behaupten, das würde passieren, fragen Sie sofort: Warum jetzt? Aber wann sollten wir sie nicht überfallen? Das ist eine komische Frage.

Was unsere prinzipielle Vorgehensweise im Kontext der Einstellung der endlosen Nato-Osterweiterung betrifft, so haben wir sie erneut zum Ausdruck gebracht. US-Außenminister Blinken äußerte abermals seine Position zum Recht auf die Wahl von Bündnissen. Ich fragte, wie die USA ihre Verpflichtung umsetzen wollen, die neben dem Recht auf Wahl von Bündnissen ebenfalls auf höchster Ebene im Rahmen der OSZE gebilligt worden war: die Sicherheit eines Staates nicht auf Kosten der Sicherheit anderer zu festigen. Er versprach mir, zu erläutern, wie sich die USA zur Erfüllung dieser Verpflichtung verhalten. Das ist kein Ende unseres Dialogs. Wie Antony Blinken mehrmals betonte, erhalten wir nächste Woche ihre schriftliche Reaktion.

Viele fragen, warum Russland eine so prinzipielle Position zum Thema Nichterweiterung der Nato hat. Die Antwort ist: weil dieser Block gegen die UdSSR gebildet wurde und jetzt genauso gegen die Russische Föderation handelt. Dabei ist das in seinen doktrinären Dokumenten verankert. Als die Osteuropäer, vor allem Polen und die Baltischen Länder, den Nato-Beitritt anstrebten, hatten wir den Westen gewarnt, dass dies ein Fehler wäre. Dass dies auf keins Weise die Sicherheit der Allianz selbst festigen würde. Dass dies nur extremistische Stimmungen anfeuern würde. Man beteuerte uns immer wieder, alles wäre umgekehrt: Man würde diese Länder in die Nato aufnehmen, und ihre Phobien, die noch seit Sowjetzeiten geblieben waren, würden nachlassen; und dann würden sie friedliche und gute Nachbarn werden. Aber es ist das Gegenteil passiert. Gerade diese Länder (vor allem die Baltischen Länder und Polen) stehen an der Spitze der antirussischen Minderheit, die nicht nur in der Nato, sondern auch in der EU den Ton angibt. Diese Länder bestehen darauf, dass diese in die Sackgasse führende antirussische Politik in absolut allen Fragen weiterhin ausgeübt wird. Ich rufe CNN auf, mit Fakten akkurat umzugehen.

Frage: In seinem Einführungswort hat US-Außenminister Antony Blinken gedroht und gesagt, es würde eine Antwort geben, falls es zu einer Aggression gegen die Ukraine kommen sollte. In der nächsten Woche kommt die schriftliche Antwort. Ihr Ton ist schon jetzt abzusehen – oder irre ich mich? Was werden wir weiter tun?

Sergej Lawrow: Heute versuchten unsere amerikanischen Kollegen schon wieder, die Ukraine in den Vordergrund des ganzen Prozesses zu stellen. Ich hatte den Eindruck, dass sie nach unseren Erläuterungen doch verstanden haben (auch wenn sie weiterhin „besorgt“ bleiben), dass sie sich auf den Inhalt unserer Vorschläge konzentrieren müssen. Es wurde uns versprochen, nächste Woche die schriftliche Reaktion darauf zu präsentieren. Ich bin überzeugt, dass die Ukraine dabei so oder so erwähnt werden wird. Ich habe heute kein einziges Argument gehört, das die Position der USA zu den Ereignissen an der russisch-ukrainischen Grenze begründen würde. Es gibt nur die „Besorgnisse“.  

Und unsere Besorgnisse nicht über erfundene Gefahren, sondern über reale Fakten, aus denen niemand ein Hehl macht, sind folgende: Die Ukraine wird mit Waffen vollgepumpt; es werden dorthin Hunderte westliche Militärinstrukteure losgeschickt. Und zudem will die EU, die ja der Nato folgt, will ihre eigene militärische Trainingsmission in der Ukraine gründen. Das wäre eine durchaus interessante Wende im Kontext der „Ambitionen“ der EU, die offenbar von sich reden lassen will. Denn sie ist bei ernsthaften Gesprächen kaum zu sehen.

Unseres Erachtens muss die „ukrainische Frage“ sehr gründlich behandelt werden, aber man sollte sie nicht in den Mittelpunkt des Problems der europäischen Sicherheitsarchitektur stellen. In Bezug auf die Ukraine bestätigte US-Außenminister Blinken, dass Präsident Biden von der Bereitschaft der USA gesprochen hatte, die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zu fördern. Ich habe ihn abermals aufgefordert, seinen ganzen Einfluss auf das Kiewer Regime einzusetzen, damit dieses zur Vernunft kommt und mit der Sabotage dieses äußerst wichtigen Dokuments aufhört, dessen Ziel ist, dem innenpolitischen Konflikt in der Ukraine ein Ende zu setzen.

Frage: Wurde im Laufe der Verhandlungen das Thema Stationierung der russischen militärischen Infrastruktur in Kuba und Venezuela erwähnt? Inwieweit ernst betrachtet Russland diese Variante? Und inwieweit realistisch ist sie? Werden Verhandlungen mit den Regierungen dieser Länder geführt? Wie ist ihre Position im Allgemeinen?

Sergej Lawrow: Dieses Thema haben wir heute nicht erörtert.

Frage: Sie erwähnten, das sei nicht der letzte, sondern nur der vorläufige Kontakt gewesen, und die Kontakte werden fortgesetzt werden. Nach den schriftlichen Antworten der US-Seite werde es noch einen Kontakt geben. Wäre ein Gipfeltreffen zwecks Besprechung dieser Fragen möglich? Wie können Sie die Absichten Prags kommentieren, die Militärhilfe an die Ukraine zu intensivieren, insbesondere durch Entsendung von Artilleriegeschossen? Die neue Regierung erklärte von der Absicht, die Beziehungen mit Moskau zu verbessern und die Liste der „unfreundlichen Staaten“ zu verlassen.

Sergej Lawrow: Wir warten auf die offizielle Antwort auf unsere Vorschläge auf dem Papier, und dann planen wir den nächsten Kontakt auf unserer Ebene. Wir wollen nicht voreilig sein. Präsident Putin ist immer zu Kontakten mit US-Präsident Biden bereit. Es ist klar, dass diese Kontakte gründlich vorbereitet werden müssen, damit klar wird, was wir erreichen könnten, wenn das Potenzial unserer Spitzenpolitiker eingesetzt worden ist.

Was die neue tschechische Regierung angeht, so hören wir, was erklärt wird. Allerdings werden wir uns entscheiden, wenn diese Worte in konkrete Vorschläge und Zeichen in unsere Richtung umgesetzt werden.

Ich kann nicht kommentieren, was unsere Nato- und EU-Nachbarn in Bezug auf die Ukraine tun. Wir warnten sie häufiger, dass das einzige, womit sich Kiewer Regime beschäftigt, sind Spekulationen, und zwar weil es die Protektion seiner westlichen Sponsoren genießt. Sobald die antirussische Hysterie ein Ende gefunden hat, wird die Untauglichkeit dieses Regimes offensichtlich werden.

Frage: Viele in der Welt sind beunruhigt über solche Verhandlungen wie zwischen Sergej Rjabkow und Wendy Sherman. Sie sprachen von der schriftlichen Antwort, die Sie von den USA erwarten. Können Sie diesen Schritt charakterisieren? Finden Sie, dass dies ein Schritt in die richtige Richtung ist? Ist das ein Zugeständnis seitens der USA? Wie lange wäre Russland bereit, auf eine zufriedenstellende Antwort zu warten?

Sergej Lawrow: Versuche, alles zu „zerkauen“, sind im Moment unangebracht. Ich habe alles erzählt, was wir heute besprochen und wie wir dieses offene und nützliche Gespräch abgeschlossen haben. Ich kann nicht sagen, ob wir den richtigen oder falschen Weg gehen. Wir werden das verstehen, wenn wir die Reaktion der USA auf alle Punkte unserer Vorschläge auf dem Papier erhalten.

Frage: In der russischen Staatsduma wird zurzeit eine Initiative zur Anerkennung der Volksrepubliken Donezk und Lugansk diskutiert. Was denken Sie: Wäre Russland bereit, die Volksrepubliken Donezk und Lugansk anzuerkennen, falls Washington die Sicherheitsgarantien für Moskau verweigern sollte? Was nicht getan wurde, obwohl es dort ein Referendum gegeben hatte.

Sergej Lawrow: Ich werde jetzt keine Spekulationen eingehen. Im Kreml hat man das bereits kommentiert. Was das Referendum angeht, so war das der Wendepunkt in der Geschichte der Ukraine-Krise gleich nach dem blutigen verfassungswidrigen Staatsstreich. Seit dieser Zeit bemüht sich der Westen darum, unserer Frage auszuweichen, was dort aus seiner Sicht passiert ist. Man zieht es vor, den Countdown der aktuellen Geschichte der ukrainischen Tragödie seit den „Ereignissen auf der Krim“ und dem „Aufstand im Donezk“ zu zählen. Wir verweisen allerdings auf die friedlichen Vereinbarungen zwischen dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch und der Opposition, deren Erfüllung Frankreich, Deutschland und Polen garantiert hatten. Schon am nächsten Morgen verstieß die Opposition gegen diese Vereinbarungen und trat sofort mit antirussischen Erklärungen auf, indem sie verlangte, die Russen von der Krim zu vertreiben. Dorthin wurden Abteilungen von Kämpfern losgeschickt, die dort das Haus des Obersten Sowjets erobern wollten. Dann standen die Krim-Einwohner auf und haben dort das Referendum durchgeführt.

Das Referendum in den Gebieten Donezk und Lugansk wurde bei einem Treffen im „Normandie-Format“ ernsthaft besprochen, als die Minsker Vereinbarungen vorbereitet wurden. Die Spitzenpolitiker Frankreichs und Deutschlands flehten uns an, die Vertreter Donezks und Lugansks zur Unterzeichnung dieser Minsker Vereinbarungen zu überreden. Im Grunde sind sie dem „Normandie-Quartett“ entgegengekommen und haben ihre Beschlüsse zu ihrer Unabhängigkeit zurückgezogen – unter der Bedingung, dass die Minsker Vereinbarungen von A bis Z umgesetzt werden sollten. Und vor allem sollte diesen Territorien ein Sonderstatus gegeben werden, und dieser sollte in der ukrainischen Verfassung für immer und ewig verankert werden, nämlich im Kontext der Dezentralisierung, der absoluten Amnestie und der Organisation von Wahlen.  All diese Fragen sollten auf Absprache mit Donezk und Lugansk geregelt werden. So ist ja der aktuelle Zustand der Geschichte um den Status dieser Territorien. Und heute, wie auch während des jüngsten Besuchs der deutschen Außenministerin und auch bei den Kontakten mit unseren französischen Kollegen, werfen wir  explizit die Frage auf, dass sie endlich aufhören sollten, die Ausschreitungen des Kiewer Regimes schweigend zu dulden, und es zwingen, nicht nur seine Verpflichtungen zu erfüllen, sondern das, was vom UN-Sicherheitsrat gebilligt wurde.

Frage: Der französische Präsident Emmanuel Macron initiierte in dieser Woche Gründung einer neuen Sicherheitsordnung in Europa und sagte, dies sei nötig, um gegen Russland „durchzuhalten“. Was denken Sie: Ist das eine Provokation Ihnen gegenüber?

Sergej Lawrow: Der Präsident Frankreichs, Emmanuel Macron, ist der am meisten konsequente Befürworter der EU-Fähigkeit, ein wichtigerer internationaler Akteur zu sein, insbesondere aus der Sicht der Förderung der so genannten strategischen Autonomie der Europäischen Union. Jetzt wird dort eines der Dokumente in dieser Richtung erarbeitet, das den Namen „Strategischer Kompass“ trägt. Natürlich verfolgen wir das. Dort ist der Einfluss der bereits erwähnten Russlandhasser ziemlich stark, die sich gleich nach ihrem Nato- und EU-Beitritt hätten beruhigen sollen, wie man uns beteuert hatte. Sie haben sich aber nicht beruhigt, sondern sind eher noch mehr in Schwung gekommen. Aber ich habe nicht gehört, dass Präsident Macron bei der Begründung der Notwendigkeit der strategischen Autonomie der EU das Argument angeführt hätte, man müsste gegen die Russische Föderation auftreten. Da gibt es aus meiner Sicht ein gewisses Missverständnis.

Frage: Was will Russland am meisten: eine instabile und abhängige Ukraine oder einen neuen Einflussraum in Osteuropa?

Sergej Lawrow: Wir haben heute über Einflussräume gesprochen. Die instabile Ukraine ist tatsächlich ein Faktor unseres gemeinsamen politischen Lebens. Ich bin sicher, dass Sie als erfahrener Journalist sehr gut verstehen, wo die Wurzeln dieser Instabilität stecken. Es genügt ja, sich die Ereignisse nach der Rückkehr Pjotr Poroschenkos nach Kiew anzusehen, wie auch die Folgen und Umstände seiner Rückkehr.

Was das Thema Einflussgebiete angeht, so habe ich heute Antony Blinken gefragt, wie er die Tatsache erklären kann, dass er von Kasachstan offen verlangt hatte, warum der Präsident dieses Landes Kassymschomart Tokajew in Übereinstimmung mit der OVKS-Satzung Hilfe im Kampf gegen die aus dem Ausland unterstützte Terrorgefahr beantragt hatte. Der US-Außenminister hat das nicht kommentiert.

Das widerspiegelt die Mentalität der westlichen Gemeinschaft, die von ihrer Außerordentlichkeit total überzeugt ist, davon, dass sie alles darf, während alle anderen zunächst ihre Genehmigung beantragen müssten.  Sehen Sie nur, wie sich die bereits erwähnte Europäische Union verhält. Federica Mogherini, die vor Josep Borrell an der Spitze der europäischen Diplomatie stand, hatte noch 2018 in einer Beratung der Botschaft der Ständigen Vertreter der EU bezüglich des Balkans offen erklärt, dass es „in den Regionen, wo wir da sind, keinen Platz für andere gibt“. War das etwa keine Aussage zum Thema Einflussräume? Es gibt etliche solche Beispiele, unter anderem die Ereignisse in Osteuropa. Man versucht gerade, alles dafür zu tun, dass die Länder im Westen des Balkans, die noch keine EU- und Nato-Mitglieder sind, ihre Mitglieder werden – koste es, was es wolle. Man rät diesen Ländern unverhohlen von engen Beziehungen mit Russland und China ab. Ist das etwa kein Versuch, ihnen den eigenen Einflussraum aufzudrängen?

Einflussräume gibt es dank der Politik, die einst koloniale Mächte ausübten. Nach der Entkolonialisierung wollten sie aber diese Einflussgebiete nicht verlieren. Sie ließen sich ganz verschiedene Methoden einfallen, um diese Territorien unter ihrer Kontrolle zu behalten. Wir sehen, wie diese Gebiete nach wie vor „erschlossen“ werden und wie unsere westlichen Kollegen versuchen, auch neue Territorien in ihre Einflussgebiete aufzunehmen. Ich sagte das bei den Verhandlungen mit Antony Blinken offen. Es ist bedauernswert, dass erwachsene Menschen solchen „Wettbewerb“ betreiben und sich messen, wer „cooler“ ist, wer irgendetwas größer hat als alle anderen. Wir alle müssten ganz erwachsen denken und uns überlegen, wie wir in der modernen Welt leben könnten, damit sie sicher ist, ob aus der Sicht des Klimawandels, anderer globalen Gefahren und des Terrorismus, Drogenhandels, der Menschengesundheit, die wegen der Pandemie schrecklichen Gefahren ausgesetzt wird (man sagt, dass dies gar nicht die letzte Pandemie sei). Das ist, womit wir uns befassen müssten. Aber stattdessen geht es bei den russisch-amerikanischen Beziehungen nur darum, wie sich Wladimir Selenski und dessen Regime fühlen. Das ist falsch. Wir beanspruchen keine Einflussräume. Aber was die Nato gegenüber der Ukraine tut, beweist eindeutig, dass die Nato die Ukraine als ihren Einflussraum betrachtet.

Frage: Wird das Außenministerium den Inhalt der Antworten der USA auf unsere Vorschläge hinsichtlich der Sicherheitsgarantien, falls es diese erhält?

Sergej Lawrow: Diese Frage sollte an unsere amerikanischen Kollegen gestellt werden. Ich dachte heute darüber nach. Vorerst gibt es keine Antwort, und wir werden dieses Thema nicht hochhängen. Da es ihr Eigentum ist, das uns als ihre Position überreicht wird, wäre es richtig, diese Antwort der Öffentlichkeit mitzuteilen. Ich werde Antony Blinken darum bitten, dass sie nichts dagegen haben.

 

 


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