STENOGRAMM DES INTERVIEWS DES AUßENMINISTERS RUSSLANDS I.S.IWANOW DEM PROGRAMM „VREMJA“ („ZEIT“) DES FENSEHSENDERS ORT AM 28.FEBRUAR 2001
Frage: Wie bekannt gibt es in Tbilissi schon seit 5 – 6 Monaten amerikanische Militärberater. Warum kam unsere erste Reaktion auf die amerikanische militärische Präsenz in Georgien erst gestern?
I.S.Iwanow: Das stimmt. Amerikanische Militärberater befinden sich in Georgien schon seit einiger Zeit. Sie erfüllen dort eine bestimmte Mission. Aber vorgestern und gestern (am 26. und 27. Februar) tauchten in den Massenmedien Informationen über breite Beteiligung der amerikanischen Militärs an verschiedenen Operationen auf dem Territorium Georgiens auf. Danach wurden offizielle Erklärungen aus Washington und Tbilissi abgegeben. Leider waren sie recht widersprüchlich und allgemein. Natürlich mussten wir unter diesen Bedingungen unsere Stellung darlegen. Für uns ist diese Frage von grosser Bedeutung. Die Ereignisse im Kaukasus berühren nationale Interessen Russlands unmittelbar und wir können da nicht indifferent bleiben.
Frage: Gestern traten viele Experten und Politologe auf. Alle sprachen, dass es eventüll Vereinbarungen zwischen Moskau und Washington gibt, dass für Moskau der Anschluss von Abchasien und Südossetien vorteilhaft ist und die Amerikaner in dieser Region sich Fuss fassen und noch einen Krisenpunkt liquidieren wollen. Ist solche Vereinbarung vorhanden?
I.S.Iwanow: Ich kann ganz offiziell sagen, dass es keine Vereinbarungen und keine Besprechungen in dieser Hinsicht gab, und es kann sie auch nicht geben. Die Zeiten sind vorbei, wenn die Staaten und Regionen nach Einflussbereichen aufgeteilt werden konnten. Es gehört nicht zu unseren Methoden in der Politik, hinter dem Rücken souveräner Staaten über ihre Schicksale zu entscheiden.
Frage: Worüber haben Sie heute mit dem Staatssekretär der USA C.Powell gesprochen?
I.S.Iwanow: Wir haben die Lage im Kaukasus im allgemeinen besprochen, unter anderem im Zusammenhang mit den Mitteilungen über die eventülle mIlitärische Beteiligung der amerikanischen Kräfte an den Aktionen gegen den Terrorismus auf dem Territorium Georgiens. Ohne Zweifel hat Georgien als ein unabhängiger Staat das Recht, im Kampf gegen den Terrorismus internationale Hilfe zu beanspruchen, unteranderem die Hilfe der USA. Da muss aber gesagt werden, dass der Kaukasus an Russland grenzt. Das ist Bereich unserer nationaler Interessen. Darum lässt es uns nicht kalt, was da vor sich geht. Ich habe unserer Besorgnis Ausdruck gegeben im Zusammenhang damit, dass aktive Präsenz der USA auf dem Territorium Georgiens die ohnedies komplizierte Situation im Kaukasus noch mehr verschärfen kann. Staatssekretär der USA hat unsere Einstellung in Betracht gezogen und gesagt, dass unsere Besorgnis berücksichtigt wird.
Frage: Und wie war die Reaktion des US-Staatssekretärs?
I.S.Iwanow: Er legte die amerikanische Position dar, die darin besteht, dass es heutzutage nur um fachliche und technische Unterstützung der georgischen Einheiten geht, die sich auf den Kampf gegen Trerroisten und terroristische Struktuten vorbereiten. Es geht nicht um Einbezogenheit der amerikanischen Militärs in solche Aktionen. Ich habe meinerseits die Haltung hinsichtlich unserer eventüllen breiterer Teilnahme an der antiterroristischen Operation in Georgien zum Ausdruck gebracht. Ich glaube, dass dieser aufrichtige Meinungsaustausch nützlich ist. Die Seiten sollen den Standpunkt des anderen kennen und ihn bei der Beschlussfassung berücksichtigen.
Frage: Igor Sergejewitsch, sind Sie sicher, dass es aufrichtige Meinung des US-Staatssekretärs war?
I.S.Iwanow: Ich habe keinen Grund, an der Aufrichtigkeit des Staatssekretärs der USA zu zweifeln.
Frage: Präsident der USA G.Bush spricht sich recht konkret aus, dass es in der Pankisser Schlucht Terroristen aus der Organisation Al-Qäda geben kann und die Amerikaner sind bereit, gegen sie in allen Punkten der Erde zu kämpfen. Dabei spricht der Staatssekretär nur von der technischen Unterstützung.
I.S.Iwanow: Vor allem bestätigt die Erklärung des Präsidenten der USA das, worüber wir schon mehrmals gesprochen haben. Leider haben internationale Terroristen, darunter die mit „Al Qäda" verbundenen, in der Pankissker Schlucht Zuflucht gefunden. Tbilissi hat das lange geleugnet. Präsident G.Bush sprach über den Kampf gegen „Al-Qäda" und andere terroristische Organisationen. Wir glauben auch, dass der Kampf gegen sie geführt werden soll. Die Frage besteht darin, mit welchen Mitteln und Methoden.
Frage: Halten Sie den Anschluss Abchasiens und Südossetiens an Russland für möeglich?
I.S.Iwanow: Präsident Russlands W.W.Putin hat mehrmals gesagt, dass Russland die Souveränität und territoriale Integrität Georgiens achtete und achtet. In Abchasien, in Südossetien gibt es unsere Friedenskräfte und sie machen auf Grund der internationalen Mandate alles Mögliche, um militärische zusammenstösse in diesen brisanten Regionen zu verhindern, was für Georgien schwere Folgen haben würde. Dies ist ein weiterer Beweis dessen, dass wir die Souveränität und territoriale Integrität Georgiens achten.
Frage: Wie wird Ihre Reaktion sein, wenn die Führer dieser Subjekte Georgiens sich an Russland mit der Bitte um den Anschluss wenden?
I.S.Iwanow: Wir müssen die Gesetze jedes Landes respektieren, wenn wir zumal mit ihm freundschaftliche Beziehungen unterhalten. Und wir haben die Absicht, mit Georgien freundschaftliche Beziehungen zu unterhalten. Die Fragen des inneren Aufbaus des Staates werden auf Grund der Verfassung, der Gesetze des jeweiligen Staates geregelt.
Frage: Wenn diese Fragen gestellt werden, werden sie nicht ohne Tbilissi behandelt werden?
I.S.Iwanow: Jetzt gibt es keinen Grund, Annahmen zu machen. Wir hoffen, dass solche Fragen nicht gestellt werden und Georgien ein territorial einheitlicher Staat bleibt.
Frage: Wenn die Amerikaner über die Achse des übels sprechen, so meinen sie den Iran, Irak und Nordkorea. Unterstützt Russland diesen Gedanken, oder es vertritt einen anderen Standpunkt?
I.S.Iwanow: Man muss auf die Klischees des „kalten Krieges" verzichten. Damals wurden alle in gute und böse geteilt, und die Welt war in zwei militär-politische Gruppierungen gespaltet, die miteinander in Konflikte verwickelt waren, und den Ländern wurden Etiketten angehängt. Heute baün wir eine neue polypolare Welt auf, die auf der Achtung des internationalen Rechts basieren soll. Nur auf Grund internationaler Prinzipien und Normen kann man die Handlungen eines Staates auswerten. Dafür gibt es konkrete internationale Institute. Die Hauptrolle im Kampf gegen den internationalen Terrorismus sowie andere Bedrohungen soll UNO spielen. Nur sie darf entscheiden, welches Land regionale und internationale Stabilität gefährdet, und nötige Massnahmen ausarbeiten. Wenn jetzt jeder selbst festlegen wird, welches Land als übel betrachtet werden soll, so wird es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen den Staaten kommen. Und das destabilisiert die Situation in der Welt. Natürlich teilt Russland nicht das Herangehen, wenn den Staaten Etiketten angehängt werden.
Frage: Die Amerikaner nennen eben diese Länder, da sie meinen, dass sie terroristische Organisationen in der ganzen Welt unterstützen. Aktiv wurde die Frage behandelt, dass die USA einen Angriff auf Irak vorbereiten. Einige Länder haben sich für die USA ausgesprochen, andere sagten, dass sie diese Aktion nicht unterstützen werden. Wie ist die Haltung Russlands?
I.S.Iwanow: Russland tritt für die politische Regelung der Situation um Irak auf. Das ergibt sich aus den jeweiligen Resolutionen des UNO-Sicherheitsrates. Wir haben vieles gemacht und werden viel machen, um diese Regelung näher zu bringen. Vor kurzem wurde Vereinbarung über die Wiederaufnahme des Dialogs zwischen Bagdad und dem UNO-Generalsekretär erreicht. Sie wurde unter aktiver Teilnahme Russlands erreicht und wir heissen sie willkommen. Die Hauptsache ist, dass dieser Dialog konkret und inhaltsreich sein soll und das er hilft, die Resolutionen des UNO-Sicherheitsrates über die Rregelung um Irak zu realisieren. Das ist der einzige Ausweg aus der Sackgasse, in der jetzt steckt. Was Militärszenerien betrifft, über die viel gesprochen wird, so teilen die meisten Staaten diese Haltung nicht. Wir haben uns schon mehrmals überzeugt, dass Militäraktionen die Situationen sowohl in der Region des Persischen Golfs als auch im allgemeinen nur um so komplizierter machen. Heute sollen alle Staaten nach den Wegen der politischen Regelung suchen. Wir rechnen damit, dass aktive Haltung Russlands in dieser Frage von anderen Staaten unterstützt wird, unter anderem von den USA.
Frage: Wenn es aber zu einem Raketen- und Bombenangriff auf den Irak kommt. Wie wird in diesem Fall die Position Russlands sein?
I.S.Iwanow: In der diplomatischen Arbeit ist es nicht üblich, die Haltung auf Grund der Annahmen zu bestimmen. Es können verschiedene Umstände sein. Deshalb müssen wir davon sprechen, was wir heute haben. Und heute tritt Russland eindeutig gegen die Militäraktion auf.
Frage: Irak ist auf die Wiederaufnahme des Dialogs mit der UNO eingegangen. Wird es auf die Rückkehr von internationalen Beobachtern in den Irak eingehen?
I.S.Iwanow: Es ist noch zu früh, darüber zu sprechen. Der Dialog wird in einigen Tagen wiederaufgenommen. Der Irak wird seine Position darlegen. Die Rückkehr der internationalen Beobachtern gehört zum Prozess. Und das Endziel der Regelung ist die Aufhebung der Sanktionen vom Irak. Aber diese Fragen gehören züinander. Einerseits soll die Anwesenheit der interantionalen Beobachtern bestätigen, dass Irak keine Massenvernichtungswaffen sowie Mittel zu deren Herstellung hat. Nach der jeweiligen Begutachtung soll der UNO-Sicherheitsrat den Beschluss über die Aufhebung der Sanktionen fassen. Diese zwei Prozesse sollen miteinander zusammenhäengen. Die Führung vom Irak soll Garantien haben, dass die Sanktionen aufgehoben werden, wenn intrenationale Beobachter sich überzeugen, dass es im Irak keine Massenvernichtungswaffen gibt.
1.März 2002