Rede des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, auf der Eröffnung der Konferenz „Ioannis Kapodistrias und die modernen russisch-griechischen Beziehungen“, Athen, 30. Oktober 2013
Sehr geehrter Herr stellvertretender Ministerpräsident,
sehr geehrte Minister,
Eure Exzellenzen,
meine Damen und Herren!
Ich möchte mich den herzlichen Begrüßungsworten an die Teilnehmer und Gäste der Konferenz anschließen, welche dem 185. Jahrestag des Amtsantritts von Ioannis Kapodistrias als Präsident Griechenlands und der Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen unseren Ländern gewidmet ist.
Russland und Griechenland verbindet eine lange Tradition der Freundschaft und Zusammenarbeit. Die Nähe und die gegenseitigen Sympathien unserer Völker haben tiefe weltanschauliche Wurzeln uns stützen sich auf gemeinsamer Geistigkeit und ähnlichen kulturellen und zivilisatorischen Charakterzügen. Das prädestinierte in Vielem die gegenseitige Verflechtung der historischen Schicksale der Völker unserer Länder und spiegelte sich natürlich auch in persönlichen Biographien wider.
Zahlreiche Griechen befanden sich im russischen Staatsdienst, darunter auch im diplomatischen, und fanden in unserem Land eine zweite Heimat. Insgesamt hatten etwa 150 russische Diplomaten griechischen Ursprungs den Rang eines Botschafters oder Gesandten inne. Das leuchtendste und bekannteste Beispiel ist das Schicksal von Ioannis Kapodistrias, der mehrere Jahre lang praktisch die Arbeit des russischen Außenministeriums leitete, indem er den wichtigen Posten eines Staatssekretärs für auswärtige Angelegenheiten bekleidete. Danach wurde er Gründer und erster Präsident des modernen griechischen Staates.
Kapodistrias war ein außergewöhnlicher Mensch und Staatsmann, der über herausragende politische und diplomatische Fähigkeiten und höchste moralische Grundsätze verfügte. Er war in Vielem seiner Zeit voraus, dachte in Kategorien eines geeinten Europas, in welchem er Russland einem diesem Land zu Recht zustehenden würdigen Platz zukommen ließ. Er verteidigte die Notwendigkeit der Wahrung der rechtlichen Grundlagen in den internationalen Beziehungen und trat gegen die einseitige Einmischung der „Granden" in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten auf. Im Bestreben zur Sicherung der Stabilität schlug Kapodistrias Ideen für die Gründung einer Organisation vor, welche im bekannten Sinn die Organisation der Vereinten Nationen vorwegnahmen. Im Bestreben, die Interessen der europäischen Politiker auf Basis humanistischer Ideale auszugleichen, leistete er einen großen Beitrag zur Lösung von Problemen, vor denen die europäischen Völker standen, und war einer der Architekten für eine friedliche Ordnung des Kontinents, welche einige Jahrzehnte anhielt.
Seit damals hat Europa mehrere schwierige Perioden durchlebt, war lange Zeit gespalten als Folge der Konfrontation der Blöcke im „Kalten Krieg". Heute bildet sich eine neue polyzentristische internationale Architektur heraus, die charakterisiert ist durch eine Vielzahl an Wachstumszentren und Entwicklungsmodellen. Unter diesen Bedingungen sind die Vereinigung der Bemühungen, die partnerschaftliche Kooperation im Interesse der Lösung der für alle gemeinsamen Aufgaben und der Suche von Antworten auf die globalen Herausforderungen so notwendig wie noch nie. Die Festigung von neuen Trennungslinien auf dem europäischen Kontinent darf nicht zugelassen werden, sei es im Bereich der Sicherheit, der Bewegungsfreiheit, der Wirtschaft oder in einem beliebigen anderen Bereich. Bei diesen Bemühungen dürfen wir nicht jene talentierten Diplomaten und Politiker vergessen, zu denen auch Kapodistrias gehörte, welche sich gerade für eine solche Organisation des Lebens auf dem Kontinent einsetzten.
Trotz der wesentlichen Unterschiede in den Meinungen und Einschätzungen innerhalb der führenden Großmächte und des starken Drucks von außen anerkannte Russland 1828 Griechenland als unabhängigen souveränen Staat. Am 18. September überreichte der Vertreter Russlands Kapodistrias auf der Insel Poros die Beglaubigungsschreiben, was den Beginn der offiziellen Beziehungen zwischen Russland und Griechenland bedeutete.
Ich möchte besonders betonen, dass die Unterstützung Russlands prinzipiellen und genuin freundschaftlichen Charakter trug. In unserem Land wollte man immer aufrichtig Griechenland als unabhängigen, starken, blühenden und stabilen Staat sehen. Darin stimmten und stimmen die nationalen Interessen Russlands immer vollständig überein.
Die Rolle unseres Landes bei der Erlangung der Eigenstaatlichkeit Griechenlands ist allgemein anerkannt. Die Entstehung der Souveränität und Unabhängigkeit des modernen Griechenlands ist unmittelbar verbunden mit der Solidarität und praktischen Hilfe Russlands. Die russische Diplomatie unterstützte Kapodistrias und seine Anhänger bei ihren Plänen zur Einführung eines Wahlsystems für das Staatsoberhaupt und zur Schaffung von Volksvertretungsorganen.
Griechenland ist für Russland ein bewährter Freund und verlässlicher Partner. Unsere Ansichten zu wichtigen Fragen der internationalen Agenda sind ähnlich oder stimmen überein. Wir sind uns einig bezüglich der Notwendigkeit der unbedingten Achtung der allgemein anerkannten Normen und Prinzipien des Völkerrechts, der Lösung von regionalen und globalen Problemen durch einen sich gegenseitig achtenden und konstruktiven Dialog. Wir schätzen die konsequente Linie Griechenlands zur Festigung des Friedens, der Stabilität und der Sicherheit auf dem europäischen Kontinent, zur Entwicklung einer vielschichtigen Zusammenarbeit zwischen Russland und der EU.
Den gemeinsamen Interessen unserer Länder entsprechen die weitere Intensivierung des politischen Dialogs und die Ausweitung der Kooperation in Handel und Wirtschaft, ihre Ausweitung auf neue, perspektivische Bereiche.
Die guten Beziehungen zwischen Russland und Griechenland sind unser gemeinsames Erbe, ein festes Fundament für die weitere Zusammenarbeit. Ich bin überzeugt, dass unsere Partnerschaft nicht von den Schwankungen der internationalen politischen Konjunktur abhängen darf. Die Aufgabe der Völker beider Länder besteht in der Wahrung und Mehrung unseres reichen historischen Erbes. Dazu beitragen wird auch die Entscheidung der Führer unserer beiden Länder, das Jahr 2016 zum Jahr Russlands in Griechenland und zum Jahr Griechenlands in Russland zu erklären. Heute werden wir mit Herrn Evangelos Venizelos die entsprechende gemeinsame Erklärung unterzeichnen.
Das heutige Forum ist eine anschauliche Bestätigung für das gegenseitige Bestreben nach Intensivierung der vielseitigen Beziehungen. Ich möchte den Initiatoren und Organisatoren, vor allem aber dem „Zentrum des nationalen Ruhms" und dem „Fond Andrej Pervosvannyj" danken und den Teilnehmern fruchtbringende Arbeit und das Allerbeste wünschen.
Danke.