Rede und Antworten des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, nach dem Treffen mit dem Außenminister der USA, John Kerry, am 30. September in New York
Es war bereits das dritte Treffen mit dem US-Außenminister John Kerry innerhalb von vier Tagen, was zeigt, dass beiderseits, wie die Verhandlungen des Präsidenten Wladimir Putin und des US-Präsidenten Barack Obama bestätigten, ein Verständnis davon gibt, dass man eng kooperieren soll, vor allem in Bezug auf die Situation in Syrien, doch nicht nur. Es wurden auch andere Fragen, die Situation in anderen Ländern der Region besprochen, es wurden Meinungen zur Ukraine vor dem Hintergrund des kommenden Gipfels im Normandie-Format am 2. Oktober besprochen.
Bei dem heutigen Treffen befassten wir uns konkret mit den bei dem Treffen der Präsidenten Wladimir Putin und Barack Obama am 28. September erreichten prinzipiellen Vereinbarungen, die erste von denen die Notwendigkeit einer engen Kooperation zwischen unseren Militärs betrifft, angesichts der Beschlüsse, die in der Russischen Föderation auf Bitte der syrischen Führung getroffen wurden. Russlands Präsident Wladimir Putin bat gemäß der Verfassung den Föderationsrat um Genehmigung zum Einsatz der russischen Streitkräfte, erhielt die Genehmigung, unsere Luftstreitkräfte sind in Syrien im Kontakt mit der syrischen Armee ausschließlich in Bezug auf die Ziele tätig, die mit dem Islamischen Staat verbunden sind.
Als Antwort auf Besorgnisse des US-Außenministers lenkte ich seine Aufmerksamkeit darauf, dass die Gerüchte darüber, dass die Ziele dieser Angriffe angeblich nicht ISIL-Stellungen seien, unbegründet sind – das Verteidigungsministerium Russlands erklärt ausführlich auf seiner Webseite und bei den Auftritten seines Sprechers, auf welche Ziele die Angriffe gerichtet wurden und welche Ergebnisse es gab. In den nächsten Tagen (je früher, desto besser), wie es Präsidenten vereinbarten, werden unsere Militärs Kontakt aufnehmen und Informationen austauschen, die dafür notwendig sind, damit es keine unbeabsichtigte Vorfälle gibt. Das Wesen der zweiten Frage, wie Präsident Wladimir Putin in seinem Auftritt in der UN-Vollversammlung sagte, besteht darin, dass wir parallel die Aufnahme eines politischen Prozesses zur Syrien-Regelung aufnehmen werden, um Bedingungen zu schaffen, damit die Syrer selbst eine Vereinbarung erreichen, wie sie in ihrem Land leben werden, wie sie ihr Land sehen wollen, damit alle ethnischen und konfessionellen Gruppen garantierte Rechte haben, an Machtstrukturen auf zentraler und örtlicher Ebene teilnehmen, um damit den Bruderkonflikt zu beenden.
Wir sind uns einig darin, welche Ziele erreicht werden sollen. Wir wollen solches Syrien sehen, wie ich es beschrieb. Wir sind davon überzeugt, dass die meisten Syrer ebenso meinen. Solche Vision des künftigen Syriens steht im Genfer Kommunique vom 30. Juni 2012 festgeschrieben, der von allen als Grundlage für weitere Handlungen anerkannt wird. Wir haben natürlich einige Kontroversen in Bezug auf eine weitere Bewegung zu diesen Zielen. Wir haben ein gemeinsames Verständnis der Wichtigkeit von Anstrengungen, die vom UN-Sondergesandten Staffan de Mistrura unternommen werden. Das ist ein sehr mühsamer Prozess, der eine detaillierte Vorbereitung erfordert. Am wichtigsten ist, so zu machen, damit alle syrischen Seiten ohne Ausnahme die Zustimmung zur Teilnahme an diesem Prozess geben. Bislang stellen einige von ihnen, darunter mit äußerem Einfluss, Vorbedingungen für solch einen Dialog, die in erster Linie mit dem Schicksal des Präsidenten Syriens, Baschar al-Assad, zusammenhängen.
Unsere Position ist klar – wir befassen uns nicht mit dem Regimewechsel bzw. Erörterung des Schicksals der legitimen Präsidenten der ausländischen Staaten. Das Schicksal ihrer Anführer soll von den Bürgern dieser Länder beschlossen werden. Wir haben darüber ebenfalls heute gesprochen. Doch am wichtigsten ist, ich betone es noch einmal, mit Vereinbarungen zu beginnen, dass alle Syrer ohne Ausnahme diese Grundlagen des weiteren Lebens, Staates bestimmen, die allen passen würden. Ich bin davon überzeugt, dass danach die Frage nach Personalien zweitrangig sein wird und man sie in einer ruhigeren Lage erörtern kann.
Frage: Wie wurden die USA zum Kurswechsel gegenüber Baschar al-Assad bewegt?
Sergej Lawrow: Ich kann keine Einschätzung geben, ob die USA ihre Position änderten. Betrachtet man ihre Verkündungen vor ein paar Jahren, als über den völligen Verlust der Legitimität Assads gesprochen wurde und die Nationale Koalition der syrischen Oppositions- und Revolutionskräfte als einziger Vertreter des syrischen Volkes anerkannt wurde, kann man sagen, dass ein langer Weg zu den aktuellen Verkündungen aus Washington und London zurückgelegt wurde, dass niemand den unverzüglichen Rücktritt Assads fordert und man einen politischen Prozess beginnen kann, wonach es Klarheit geben soll. Sie haben im gewissen Sinne Recht – die ist eine Revision der Position. Ich denke, dass das Leben uns davon überzeugte, dass man eine Vereinbarung erreichen muss. Fast in jedem anderen Konflikt – Jemen, Südsudan, Libyen - treten unsere westliche Partner, darunter diejenigen, die als Vorbedingung den Rücktritt Assads fordern, in anderen Fällen für einen Dialog zwischen den Regierungen und Oppositionellen ein. Ich denke, dass dieses Prinzip universell und nützlich zur Lösung des syrischen Problems ist.
Frage: Wie reagierte die US-Seite auf russische Bombenangriffe auf Syrien?
Sergej Lawrow: Sie haben heute den Auftritt des US-Außenministers John Kerry und anderer unserer Kollegen auf der Sitzung des UN-Sicherheitsrats gehört. Diese Position besteht meines Erachtens darin – falls Russland tatsächlich beim Kampf gegen ISIL hilft, wird dies begrüßt. Man soll vereinbaren, dass es keine unbeabsichtigten Folgen gibt, weil im Himmel über Syrien ebenfalls die Fliegerkräfte der Koalition tätig sind. Doch falls die Ziele der Koalition nicht die Stellungen des Islamischen Staates sondern der bewaffneten Einheiten sind, die nicht mit Terroristen verbunden sind, ist es schlecht und wird den Zustrom der Dschihadisten erhöhen. Wir sagten daraufhin offen und fair (darüber sprach auch Russlands Präsident Wladimir Putin und andere unsere offiziellen Vertreter), dass wir als Antwort auf die Bitte der syrischen Führung beim Kampf ausschließlich gegen ISIL und anderen Terrorgruppen helfen. In diesem Zusammenhang betone ich, dass es Besorgnisse seitens unserer US-Partner hinsichtlich der Tatsache gibt, dass es angeblich nicht wahre Ziele gewesen seien. Sie äußerten Zweifel daran und sprachen von irgendwelchen Beweisen, um deren Vorlegen wir baten, weil wir für unsere Ziele antworten. Ich sage noch einmal, dass alles auf der Webseite des Verteidigungsministeriums Russlands sehr ausführlich beschrieben ist. Es begannen Gespräche darüber, dass bei Angriffen Zivilisten betroffen wurden, wir haben keine Angaben darüber. Wir verfolgen sehr aufmerksam, dass die punktuellen Angriffe punktuell und ihre Ziele ausschließlich Stellungen, Objekte, Ausrüstung, Waffen der Terroreinheiten sind. Wir haben ebenfalls Besorgnisse, von denen ich heute Kerry unterrichtete. Trotz des Gesagten im UN-Sicherheitsrat, wo er über die Arbeit der Koalition nicht nur im Irak, wohin sie eingeladen wurde, sondern auch in Syrien rechtfertigte, wohin sie niemand einlud, sprach, sagte er, dass die Koalition in voller Übereinstimmung mit dem UN-Statut funktioniert, darunter Artikel 51, der das Recht auf kollektive Selbstverteidigung vorsieht. Doch Artikel 51 betrifft ausschließlich Situationen, bei denen ein konkreter Staat um Schutz bittet. Seitens der Regierung der Arabischen Republik Syrien gab es keine solche Bitte an die Koalition, an Russland hat es eine solche Bitte gegeben. Das bedeutet nicht, dass wir es nicht verstehen, dass die Koalition Realität ist. Ja, das ist Realität, die berücksichtigt werden soll. Deswegen haben Wladimir Putin und Barack Obama es vereinbart, dass Militärs miteinander Kontakt aufnehmen sollen, um jede Missverständnisse zu verhindern.
Frage: Bei seiner Rede im UN-Sicherheitsrat erläuterte John Kerry eine vernünftige Frist, in der Baschar al-Assad zurücktreten soll. Erklärte er Ihnen, was er damit meinte?
Sergej Lawrow: Ich habe die Frage von Lifenews zu diesem Thema bereits kommentiert und werde jetzt nicht auf Details eingehen.
Frage: Welche größten Risiken für Russland sehen Sie in dieser größten seit Afghanistan Operation im Ausland? Und noch eine Frage: Es schien mir, dass US-Außenminister John Kerry den Gesprächsraum zusammen mit dem Außenminister Syriens, Walid Muallem, betrat.
Sergej Lawrow: Ich antworte auf die erste Frage. Ich verstehe, wonach sie in der zweiten Frage fragen wollen. John Kerry war nicht beim Treffen mit Walid Muallem – er ging in sein Zimmer, das sich durch eine Wand von unserem Zimmer getrennt ist. Was die Risiken der Russischen Föderation betrifft, sprach darüber sehr eindeutig Russlands Präsident Wladimir Putin. Die größte davon ist, dass Tausenden Extremisten, die aus der Sowjetunion, darunter aus Russland stammen, zurückkehren und ihre schlimmen Taten in unserem Lande verüben werden. Wir wollen mit aller Kraft diese Risiken vermeiden. Ich bin davon überzeugt, dass wir dies schaffen.