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Rede des Ständigen Vertreters der Russischen Föderation in der OSZE, Alexander Lukaschewitsch, bei der Sitzung des Ständigen Rats der OSZE über die Situation in der Ukraine und Notwendigkeit der Erfüllung der Minsker Abkommen am 16. Februar 2017 in Wien

327-20-02-2017

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

Es sind zwei Jahre seit der Unterzeichnung des  Maßnahmenkomplexes zur Erfüllung der Minsker Abkommen, der durch Resolution des UN-Sicherheitsrats gebilligt wurde. Dies ermöglichte einen bedeutenden Abbau der Dynamik der Opfer der Strafoperation, Verhinderung von großangelegten Militärhandlungen. Es wurden die Parameter der politischen Regelung konkretisiert, die den Schutz der Rechte und Interessen der Einwohner von Donezbecken ermöglichen würden. Es wurde die Reihenfolge der Handlungen der Normalisierung der Situation, Rückkehr zum friedlichen Leben zur Versöhnung in der Gesellschaft festgelegt.

Es wurde die Arbeit der Kontaktgruppe via Schaffung der Arbeitsuntergruppen zur Erfüllung entsprechender Aspekte der Minsker Abkommen intensiviert, die die Zusammensetzung der Kontaktgruppe widerspiegeln. In diesem Format wurde die Gewährleistung eines direkten Dialogs der Konfliktseiten möglich, was die größte Voraussetzung der friedlichen Regelung ist. Das brachte einige Ergebnisse – zum Austausch der Gefangenen, lokalen Versöhnungen zur Wiederherstellung der Infrastruktur, zusätzlichen Abkommen zum Rückzug der Technik, Gebieten der Trennung der Kräfte und Mittel.

Wir begrüßen die Ergebnisse, die bei der Sitzung der Kontaktgruppe in Minsk erreicht wurden. Die Vereinbarung über die Rückkehr der Waffen von der Trennungslinie zum 20. Februar ist ein wichtiger Schritt in einer richtigen Richtung. Ein gutes Signal ist ebenfalls die Wiederaufnahme der Arbeit der Wirtschaftsuntergruppe.

Leider bleibt der größte Teil des Maßnahmenkomplexes nicht erfüllt. Die ukrainische Version der Nichterfüllung der Minsker Abkommen haben wir gehört – an allem sind äußere Kräfte schuld und Kiew nichts zu tun hat. Vor einem Jahr haben wir einen Vertreter Kiews in der Kontaktgruppe, Berater des Präsidenten der Ukraine, Wladimir Gurbulin, zitiert: „Die Beschlüsse, die bis heute im Rahmen des Minsker Prozesses getroffen, waren im bedeutenden Ausmaß das Ergebnis des Drucks der kritischen Umstände und äußeren Faktoren, weshalb die Kraft ihrer Obligationen ausschließlich auf gutem Willen der ukrainischen Seite ruht. Das wichtigste und einzige Stratagem des ukrainischen Staates ist, die Zeit zu gewinnen und Kräfte anzuhäufen“. Diese Worte wurden völlig bestätigt. Kiew will nicht die Minsker Abkommen freiwillig erfüllen. Stattdessen eine offene Sabotage und Versuche, dieses Dokument neu zu interpretieren. Unter verschiedenen Einwänden wird die Arbeit an verschiedenen Aspekten des Maßnahmenkomplexes verschoben – Abstimmung der Modalitäten von Lokalwahlen, Inkrafttreten des Gesetzes über den Sonderstatus, Durchführung der Amnestie (die natürlich die ukrainischen Sicherheitskräfte brauchen werden), geschweige denn die Verfassungsreform.

Die Verkündigung von Petro Poroschenko darüber, dass die Wahlen erst nach der Übergabe der Grenze unter Kontrolle Kiews durchgeführt werden sollen – ist ein direkter Verstoß gegen den Maßnahmenkomplex. In dieselbe Reihe gehört die Verkündigung des Vertreters Kiews nach der gestrigen Sitzung der Kontaktgruppe – die Wahlen sollen angeblich erst nach völliger Erfüllung der Minsker Abkommen stattfinden.  Man soll aber daran erinnern, dass die Wahlen in Donezbecken nicht die End- sondern eine Zwischenstation ihrer Umsetzung ist. Es kann keine Rede über die Wiederherstellung der Kontrolle der Grenze ohne Wahlen sein, deren Modalitäten mit Vertretern einzelner Territorien der Gebiete Donezk und Lugansk im Rahmen der Kontaktgruppe (P. 12 des Maßnahmenkomplexes) besprochen und abgestimmt werden, sowie ohne der folgenden allumfassenden politischen Regelung, darunter Verfassungsreform (P. 9 und 11). Die Obstruktionsposition Kiews zeigte sich erneut bei der Sitzung der Kontaktgruppe in Minsk, wo sie sich erneut weigerte, die so genannte Steinmeier-Formel zum Inkrafttreten des Gesetzes über Sonderstatus zu fixieren. Das war de facto der Versuch, die Vereinbarungen zu ruinieren, die bei den Gipfeln des Normandie-Formats in Paris und Berlin erreicht wurden.

Die Ukrainer selbst beginnen anscheinend zu verdächtigen. Laut Ergebnissen der Umfrage des Kiewer internationalen Soziologischen Instituts sind 65,5 Prozent der Ukrainer, darunter ohne Berüсksichtigung der Einwohner von Donezbecken sich sicher, dass die Kampfhandlungen fortgesetzt werden, weil sie für die Kiewer Regierung vorteilhaft sind. 38,8 Prozent meinen, dass die Regierung die Erfüllung der Minsker Abkommen gezielt torpediert.

Die Behörden in Kiew müssen ständig Spannungen im Donezbecken provozieren, um alle Probleme der inneren Entwicklung damit zu rechtfertigen und ihre ausländischen Geber um Geld zu bitten. Aber ewig kann das nicht dauern. Wir halten es für angebracht, Kiew gemeinsam zu überzeugen, dass die Umsetzung des „Maßnahmenkomplexes“ für die Ukraine keine Sackgasse, sondern im Gegenteil – die Rettung ist, so dass sie unter anderem ihre Souveränität und territoriale Integrität aufrechterhalten kann. Wir rechnen damit, dass die bevorstehenden Kontakte im "Normandie-Format" Fortschritte in dieser Richtung ermöglichen werden.

Sehr beunruhigend ist die Situation an der Trennlinie. Nach einer Kürzung der Zahl der Waffenruheverletzungen Anfang der Woche spitzte sich die Situation wieder zu. Es werden wieder verschiedene Orte auf dem vom Volksheer kontrollierten Territorium beschossen. Am 14. Februar wurde ein Chemiebetrieb im Kuibyschewski-Bezirk von Donezk betroffen. Beobachter berichteten über zerstörte Häuser und Infrastrukturobjekte in Donezk, Donezkoje, Kominternowo und Molodjoschnoje nach den Artillerieangriffen der ukrainischen Streitkräfte. Die OSZE-Vertreter stellten auch fest, dass das an der Trennlinie liegende Dorf Nowoalexandrowka aus dem Südwesten, wo die ukrainischen Kräfte liegen, beschossen worden war. Es gab auch den Versuch, einen Abschnitt des Territoriums bei Kominternowo zu erobern.

Die OSZE-Mission verwies auf eine große Menge der ukrainischen Militärtechnik im Sicherheitsraum. Vom 6. bis 13. Februar wurden wider den „Maßnahmenkomplex“ und die Beilage dazu 63 Waffeneinheiten der ukrainischen Armee entdeckt, darunter Mehrfachraketensysteme in Asnalowo, Dobropolje und Kulikowskoje; Haubitzen in Aslanowo, Bogojawlensk, Werchnekamenka, Woitowo, Dmitrowka, Lissitschansk, Nowoaidar und Priwolnoje; eine Anti-Panzer-Waffe in Stschastje. Es wurden Flüge von Kampfjets in Kurachowo beobachtet, was den Punkt 7 des Minsker Memorandums verletzt. Neben diesen Waffen befinden sich im Sicherheitsraum laut der Beobachtermission 78 Schützenpanzerwagen der ukrainischen Streitkräfte und gleich hinter der Rückzugslinie 134 Einheiten Militärtechnik.

Diese Großmenge ukrainischer Rüstungen und die Verlegung von Reservekräften und  nationalistischen Bataillonen in den Konfliktraum zeugen von der Bereitschaft der ukrainischen bewaffneten Strukturen, jederzeit in die Offensive zu gehen. Kiew könnte das im Vorfeld eines großen internationalen Ereignisses tun, was schon öfter passierte.

Wir rufen die Beobachtermission auf, das Patrouillieren an der ganzen Trennlinie zu intensivieren, die Verlegung von schweren Waffen weiter zu kontrollieren und Berichte über die Verlegung von Mehrfachraketensystemen und taktischen Raketen Totschka-U gründlich zu überprüfen.

Auch die Situation außerhalb des Konfliktraums sollte aufmerksam beobachtet werden. Der Gesetzentwurf „Über provisorisch okkupierte Territorien“, der in die Oberste Rada eingebracht wurde, hat bereits Besorgnisse internationaler Organisationen ausgelöst, wurde jedoch von den OSZE-Beobachtern „übersehen“.

Dennoch verweisen sie auf solche wichtigen Fakten wie einen Überfall der Nationalisten auf Abteilungen russischer Banken hervor (ein neuer solcher Zwischenfall passierte jüngst in Charkow), oder auf eine Kunstausstellung der „Errungenschaften“ des „Maidans“. Es werden nach wie vor Journalisten in der Ukraine verfolgt, was die OSZE-Medienbeauftragte hervorhob. Soweit wir wissen, bleiben die Umstände der Morde an Olesj Busina und Pawel Scheremet nach wie vor unaufgeklärt.

Radikale Gruppierungen blockieren weiterhin den Eisenbahnverkehr zwischen beiden Seiten der Trennlinie. Laut vorhandenen Informationen könnten die humanitären Folgen dieser Aktion der Radikalen noch schlimmer als die der jüngsten Artillerieangriffe bei Donezk werden. Die Position der Regierung zu dieser Situation bleibt unklar, wie auch das Verhalten der zentralen Behörden zu den „Freiwilligen-Bataillonen“, die oft für Provokationen an der Trennlinie verantwortlich sind. Von der andauernden rechtlichen Willkür in der Ukraine zeugt auch der von den Beobachtern registrierte Zwischenfall zwischen einer Abteilung der ukrainischen Armee und einer Radikalengruppe bei Tschongar an der Grenze zu Russland.

Zum Schluss können wir feststellen, dass es für die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen keine vernünftigen Alternativen gibt, auch wenn das für die ukrainischen Machthaber ein heikles Thema ist.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


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