Федеративная Республика Германия
Interview des Außenministers der Russischen Föderation, Sergej Lawrow, für den TV-Sender RT, Moskau, 22. Dezember 2021
Frage: Die USA ignorieren weiterhin beharrlich die Vorschläge Russlands zu den Mechanismen der kollektiven Sicherheit sowie die Bitten, die von Moskau gezeichneten roten Linien nicht zu überschreiten. Das betrifft unter anderem die Bewegung und Erweiterung der Nato gen Osten. In diesem Zusammenhang gibt es zwei Fragen. Womit ist Ihres Erachtens dieses Schweigen verbunden? Wird Russland das dulden? Kann der kollektive Westen im Prinzip die Vorschläge Russlands über eine friedliche Existenz annehmen?
Sergej Lawrow: Die Frage ist wohl die aktuellste. Ich würde nicht sagen, dass unsere Initiativen ignoriert werden. Gestern sprach darüber ausführlich Russlands Präsident Wladimir Putin auf dem erweiterten Kollegium des Verteidigungsministeriums Russlands. Er erwähnte, dass sie während der letzten Videokonferenz mit dem US-Präsidenten Joe Boden dieses Thema besprachen. Joe Biden drückte die Bereitschaft aus, die Besorgnisse zu betrachten, die die russische Seite anschneidet. Wir stellten unsere Vision der möglichen Vereinbarungen vor. Ein Dokument ist der Entwurf eines Vertrags über Sicherheitsfragen zwischen der Russischen Föderation und den USA. Das zweite Dokument ist ein Entwurf eines Abkommens über die Lösung der Sicherheitsprobleme im Rahmen der Beziehungen Russlands und der Nato. Der Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg macht ständig nicht sehr adäquate Erklärungen. Aber er will bald gehen. Seine Amtszeit endet am Ende des Jahres. Man sagt, dass er in die Zentralbank Norwegens gehen wird (oder zumindest will). In der Zentralbank soll man eindeutig und geprüft das machen, was die Grundlage des Funktionierens einer jeweiligen Einrichtung bildet. Die Grundlage der europäischen, euroatlantischen Sicherheit bilden mehrere Prinzipien, die auf der höchsten Ebene als politische Verpflichtungen abgestimmt und unterzeichnet wurden – darunter das Hauptprinzip der gleichen und unteilbaren Sicherheit. Demnach schrieben die Staats- und Regierungschefs direkt fest, dass kein euroatlantischer Staat, kein Teilnehmer der OSZE seine Sicherheit via Beeinträchtigung der Sicherheit der anderen festigen wird.
Jens Stoltenberg erklärt lautstark und ziemlich arrogant, dass niemand das Recht hat, das Prinzip des Washingtoner Vertrags zu verletzen, laut dem die Türe für jeden potentiellen „Aspiranten“, der sich der Nato anschließen will, offen sind. Wir sind keine Teilnehmer dieser Struktur, keine Unterzeichner dieses Vertrags. Doch wir sind Unterzeichner eines breiteren, gesamtregionalen, euroatlantischen Dokuments, wo das Prinzip der Unteilbarkeit der Sicherheit enthalten ist. Wenn Jens Stoltenberg meint, dass die Nato-Mitglieder auf dieses Prinzip pfeifen können, das in den Dokumenten, die auf der höchsten Ebene angenommen wurden, festgeschrieben sind, dann soll er tatsächlich zu einem anderen Job gehen, weil er seine Pflicht nicht meistert. Was eine reale Reaktion (nicht rhetorische, die ich jetzt erwähnte) seitens unserer US-Kollegen betrifft, würde ich sagen, dass sie geschäftlich ist. Es gab eine Reihe der Gespräche auf der Ebene der außenpolitischen Assistenten der Präsidenten Russlands und der USA. Nach einem weiteren Kontakt wurden organisatorische Modalitäten der weiteren Arbeit abgestimmt. Es wurde vereinbart, dass am Anfang des nächsten Jahres die erste Runde ein bilateraler Kontakt zwischen unseren und amerikanischen Verhandlungsteilnehmern sein soll. Ihre Namen wurden bereits genannt. Sie sind für die beiden Seiten annehmbar. Danach haben wir vor, in der absehbaren Zukunft (wir wollen das im Januar machen) auch die Verhandlungsplattform zur Besprechung des zweiten Dokuments – Entwurf eines Abkommens zwischen Russland und Nato-Ländern einzusetzen.
Russlands Präsident Wladimir Putin telefonierte vor einigen Tagen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Deutschlands Olaf Scholz. Sie zeigten auch Interesse an diesem Thema. Unser Präsident bestätigte, dass wir ebenfalls die Frage über die Sicherheitsgarantien auf die OSZE-Plattform bringen werden.
Es bilden sich drei Richtungen. Über die Frage, dass sie eingesetzt werden sollen, gibt es Zustimmung zumindest zwischen Moskau und Washington. Ich sehe keine Gründe, aus denen solches Herangehen den Interessen jedes anderen Staates in unserer gemeinsamen Region widersprechen würde. Die Amerikaner sagten, dass sie bereit sind, eine ganze Reihe der Besorgnisse, die in unseren Dokumenten enthalten sind, zu besprechen, eine ganze Reihe ist unannehmbar, sie haben auch eigene Besorgnisse. Wir sind bereit, sie zu erörtern. Doch bislang wurden sie uns nicht vorgelegt. Beim Verständnis über die organisatorische Seite der Frage steht noch eine riesengroße Arbeit zum Inhalt bevor. Doch wie Russlands Präsident Wladimir Putin sagte, kann sie nicht endlos sein, weil in den letzten Jahrzehnten Drohungen um uns auf ständiger Grundlage entfacht werden. Die Militärinfrastruktur der Nato nähert sich direkt unseren Grenzen an. Wir wurden regelmäßig betrogen, von mündlichen Versprechen bis zu politischen Verpflichtungen, die in der Russland-Nato-Grundakte festgeschrieben waren. Diesmal beharren wir ausschließlich auf juridisch verpflichtenden Garantien, wie Russlands Präsident Wladimir Putin sagte. Beim Verständnis, dass der Westen auch juridische Garantien einfach verletzen, wenn er das will, und aus diesen Vereinbarungen austreten, wie es mit dem Raketenabwehrvertrag, INF-Vertrag, der Fall war, kann. Allerdings ist es etwas schwieriger, juridische Garantien „durch Reden“ nicht umzusetzen (wie er sagte), als mündliche bzw. politisch fixierte Verpflichtungen. Wir sind offen zu dieser Arbeit. Wir werden alles machen, damit wir verstanden werden. Ich hoffe, dass unter Berücksichtigung der Handlungen, die wir zu einer sicheren Gewährleistung unserer Verteidigungsfähigkeit unternehmen, wir ernsthaft wahrgenommen werden.
Frage: Wie bekannt, startete RT den Sendebetrieb in deutscher Sprache. Nach weniger als einer Woche wurde unser Signal vom Satelliten Eutelsat 9 unter Druck der deutschen Regulierungsbehörden entfernt. Uns wurde mit Gericht und Schließung gedroht. Am Tag des Starts entfernte YouTube den Kanal, wo unsere Ausstrahlung erfolgte. Inwieweit weiß das Außenministerium Bescheid über diese Situation? Werden konkrete Handlungen zur Unterstützung des TV-Senders und unserer Journalisten geplant?
Sergej Lawrow: Wir kennen diese Situation. Die offizielle Sprecherin des Außenministeriums Russlands, Maria Sacharowa, kommentierte sie mehrmals. Wir verfolgen aufmerksam, wie unsere Journalisten im Ausland arbeiten angesichts der regelmäßigen Fakten der Diskriminierung. Bislang haben RT und Sputnik keine Akkreditierung im Élyseé-Palast. Vor einigen Tagen betonte Russlands Präsident Wladimir Putin im Telefongespräch mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron diesen Fakt und brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass unsere französischen Kollegen alles machen, damit russische Medien (einschließlich RT) und Frankreich ebenso behaglich wie französische in Russland arbeiten können.
Wir wollen, dass dasselbe Prinzip auch gegenüber RT in Deutschland und anderen russischen Medien, die mit der Diskriminierung im Ausland zu tun haben, angewendet wird. Ich halte den Fall mit Deutschland für eklatant. Von Anfang an machten die deutschen Behörden alles (obwohl es auch Versuche der offiziellen Personen gab, sich von den Handlungen der Regierungsdiensten zu distanzieren), um ein negatives Image des Kanals in der deutschen Gesellschaft und unter offiziellen Strukturen zu schaffen. Alles begann mit den Versuchen, die Bankverbindungen zu blockieren, dann weigerte man sich, zu registrieren, es wurde Luxemburg verboten. Jetzt registrierten unsere Kollegen in Serbien den Kanal RT in der deutschen Sprache gemäß dem Europäischen Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen, dessen Teilnehmen Deutschland ist. Es muss eingehalten werden.
Anscheinend wird man jetzt wieder auf Soziale Netzwerke, YouTube nicken, dass es angeblich ihre persönliche Initiative ist, es irgendwelche Kriterien gibt, und der deutsche Staat damit nichts zu tun habe. Doch er hat damit zu tun. Er muss damit zu tun haben, denn alle Verpflichtungen, die die Gewährleistung der Freiheit des Zugangs zu Informationen erfordern, wurden von Deutschland unterzeichnet und übernommen. Kein YouTube, sondern der Staat, auf dessen Territorium solche Willkür herrscht, trägt Verantwortung.
Die Diskriminierung gegenüber russischen Medien ist seit vielen Jahren zu erkennen. Wir hatten oft die Versuchung, spiegelartig, gegenseitig zu antworten. Doch bis vor kurzem dominierte die Überzeugung, dass wir in dieser Situation nicht denselben Weg der „Erstickung“ der Presse und Medien gehen wollen, wie sich damit unsere westlichen Partner befassen. Doch wie auch im Fall mit der Gewährleistung der russischen Sicherheit, hat jede Geduld ihre Grenzen. Ich kann nicht ausschließen, dass wenn diese unannehmbare Situation andauern wird, müssen wir reagieren.
Frage: In Lateinamerika gab es im vergangenen Jahr eine Reihe wichtiger Ereignisse. Vor kurzem fanden die Wahlen in Chile statt, wo der Vertreter der linken politischen Kräfte, Gabriel Boric gewann. In Honduras gewannen Vertreter der Linken. Sie blieben in Nicaragua und Venezuela. In derselben Zeit halten die USA diese Region weiterhin für ihre Zone der Interessen. Wie meinen Sie, ist die Änderung des politischen Kurses in diesen Ländern ein Merkmal dafür, dass Lateinamerika politisch eigenständiger wird oder, wie die Amerikaner denken, wird diese Region „ihre“ Region, „ihr“ Unterbauch bleiben und sie werden sich weiterhin auf die Regeln richten, die die USA aufstellen, wie der jüngste Gipfel für Demokratie?
Sergej Lawrow: Lateinamerika erlebte in den letzten 50 bzw. 60 Jahren (vielleicht auch darüber hinaus) Änderungen in der politischen Landschaft – mal links, mal rechts. Jetzt sind an der Macht gesunde, national ausgerichtete Kräfte. Ich denke, dass das eine allgemeine Tendenz eines ernsthaften Scheiterns des „neoliberalen“ Projekts widerspiegelt. Ich möchte folgendes hervorheben – die Russische Föderation baute ihre Handlungen in unseren Beziehungen zu Lateinamerika nie abhängig davon, welche Regierung an der Macht ist, auf. Wir wollen Freundschaft, gegenseitig gewinnbringende Zusammenarbeit mit den Ländern und Völkern und nicht mit einer jeweiligen Regierung je nach ihrer politischen Bevorzugungen entwickeln. Im Unterschied von den USA betrachten wir Lateinamerika nicht als Raum für geopolitische Spiele. Die jetzige Administration der USA erläuterte nicht mehr die Erklärungen des ehemaligen Sicherheitsberaters Donald Trumps John Bolton darüber, dass die Monroe-Doktrin am Leben ist, doch in praktischen Angelegenheiten zeigt sich immer wieder diese Mentalität, darunter in der konkreten Politik, die von den USA durchgeführt wird.
Wir arbeiten mit allen ohne Ausnahme Ländern und subregionalen Organisationen in der Region Lateinamerikas und Karibik. Alleine im letzten Jahr hatte ich Kontakte mit Kollegen aus Mexiko, Venezuela, Bolivien, Brasilien, Guatemala, Nicaragua, Honduras, Kuba, Belize. In New York traf ich mich am Rande der Tagung der Generalversammlung mit Vertretern des zentralamerikanischen Integrationssystems. Am Rande der G20 hatte ich ein Treffen mit dem Kollegen aus Argentinien. Wir betonen immer, dass wir bezüglich der bilateralen Verbindungen an einer entpolitisierten Zusammenarbeit interessiert sind.
Was multilaterale Strukturen und Organisationen betrifft, werden wir wie auch die Mehrheit der lateinamerikanischen Länder, die Werte, Normen, Ziele und Prinzipien der UN-Charta verteidigen. Im vergangenen Jahr wurde auf Initiative Venezuelas die Gruppe der Freunde zur Unterstützung der UN-Charta gebildet. Sie bekam schnell mehr als 20 Anhänger. Ich bin davon überzeugt, dass die Länder, darunter Lateinamerikas, sich diesem Mechanismus zusätzlich anschließen werden. Er antwortet im gewissen Maße auf die Versuche der USA und der engsten Verbündeten, sich vom Völkerrecht zu entfernen und immer öfter in ihren Aussagen, Argumenten, Politik sich auf die von ihnen selbst erfundene „auf Regeln beruhende Weltordnung“ zu stützen. Die Regeln werden in ihrem engen Kreis gebildet, wo niemand alternative Positionen zum Ausdruck bringt, wo es keine Streitigkeiten gibt. Dort entsteht, wie bekannt, nicht die Wahrheit.
Zugleich sehe ich, dass die aktuelle US-Administration damit beginnt, die Entwicklung etwas pragmatischer einzuschätzen. Sie erwägen andere Handlungen gegenüber Venezuela. Sie verstehen allmählich, dass man jedenfalls einen Dialog mit der Regierung des Präsidenten Nicolas Maduro führen muss, der nach den Wahlen sein Mandat bestätigte. Eine ähnliche Situation ist auch in Bezug auf Bolivien, wo die wahre Demokratie nach ziemlich zweifelhaften Handlungen der vorherigen Herrscher wiederhergestellt wurde. Ich hoffe, dass die Realien in solchem Land wie Nicaragua von Washington begriffen und wahrgenommen werden. Wir treten dafür ein, dass außerregionale Mächte die Bildung der lateinamerikanischen karibischen Identität als eines der großen, wichtigen Pole der sich bildenden polyzentrischen Weltordnung aktiv fördern. Wir wissen unsere Beziehungen mit regionalen und subregionalen Strukturen in dieser Region, insbesondere mit CELAC, mit dem wir einen Mechanismus der politischen Konsultationen haben, zu schätzen. Unter Bedingungen der Pandemie gab es eine kleine Pause. Die Mexikaner sind auf dieser Etappe CELAC-Vorsitzende, sie wollen solche Treffen wiederaufnehmen. Wir werden solche Stimmung aktiv unterstützen. Unter den Richtungen, bei denen wir kooperieren, würde ich High-Tech, Energie, Landwirtschaft, Weltraum, Atomenergie, Medizin, Gesundheitswesen erwähnen. Einige Länder Lateinamerikas – Mexiko, Brasilien, Argentinien, Nicaragua – bekamen bereits die Technologie zur Produktion unserer Impfstoffe. Sie nehmen ihre Produktion auf. Ich denke, dass entsprechende Kontakte einen Antrieb für ein mehr umfassendes Zusammenwirken im Bereich Pharmazeutik, Gesundheitswesen und Medizin verleihen werden.
Frage: Unser millionenfaches arabisches Publikum hat viele Fragen, doch leider ist unsere Zeit begrenzt, wir können nicht über alles fragen. Man möchte mit Ihnen zum Thema Iran sprechen. Der Westen wirft dem Iran weiterhin die Fortsetzung der atomaren Eskalation vor, was ihnen zufolge zum Zusammenbruch der Verhandlungen zum Gemeinsamen umfassenden Aktionsplan führen kann. Zugleich sagt Teheran, dass sich die EU mit Desinformation statt ernsthaften Verhandlungen befasst. Wie ist die Position Russlands und was ist notwendig, damit diese Verhandlungen Erfolg erreichen?
Sergej Lawrow: Leider versuchen unsere westlichen Partner, die Fakten genau so zu verzerren, wie ich es in der Antwort auf die vorherige, erste Frage sagte. Die Nato nähert sich beharrt unseren Grenzen an, und an der Eskalation sei Russland „schuld“, das Streitkräfte hat, die ihr Territorium nicht verlassen. So ist es auch hier. Die Administration von Donald Trump trat aus allen Vereinbarungen aus – aus dem Gemeinsamen umfassenden Aktionsplan, der Resolution des Sicherheitsrats, der sie billigte, und schuld ist wieder der Iran. Als Donald Trump das machte, unternahmen die Iraner seit mehr als einem Jahr keine Schritte, die mit den Verpflichtungen gemäß dem Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplan auseinandergehen. Erst als klar wurde, dass der Beschluss Washingtons unumkehrbar ist, dann begannen die Iraner die Möglichkeiten zu nutzen, die im Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplan festgelegt waren und die von Teheran freiwillig übernommenen Verpflichtungen zu jeweiligen Aspekten seines Atomprogramms betrafen. Sie beschränkten bzw. stoppten die Erfüllung von nur freiwilligen Verpflichtungen. Jedes Mal betonten sie – „Ja, wir machen das, wir erhöhen den Prozentanteil der Anreicherung bzw. nehmen technologische modernere Zentrifugen in Betrieb, doch sobald die USA zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen vollständig zurückkehren, werden wir darauf sofort reagieren“. Gerade ein solches Prinzip, das Verständnis bilden jetzt die Grundlage der Verhandlungen in Wien. Vom April bis Juni gab es sechs Runden der Verhandlungen, bei denen die Amerikaner und Iraner sich nicht an einen Verhandlungstisch setzten. Dort arbeitete eine Gruppe der Koordinatoren aus dem europäischen außenpolitischen Dienstes und Delegationen Chinas, Russlands, Frankreichs, Deutschlands, Großbritanniens. Nach sechs Runden wurde so ein Paket gebildet, der hoffen ließ, dass wir weiterhin endgültig eine Vereinbarung erreichen können. Dann gab es eine unvermeidliche Pause, die damit verbunden war, dass sich nach den Wahlen im Iran die neue Regierung bildete. Hier zeigten unsere westlichen Kollegen Hastigkeit, Ungeduld, riefen den Iran dazu auf, das schneller zu machen. Wir erinnerten sie daran, dass der Iran seit mehr als einem Jahr wartete, wann die Amerikaner zu diesem Verständnis wieder zurückkommen. Er erreichte das nicht und trat aus. Deswegen ist das alles logisch.
Ich würde nicht etwas extra dramatisieren. Es ist klar, dass das jetzige iranische Team neu ist. Doch sie lernten sehr schnell, professionell das Material. Es wurden Vorschläge vorbereitet, die von einigen westlichen Teilnehmern zunächst abstoßend wahrgenommen wurden, doch letzten Endes gaben sie zu, dass diese Vorschläge existieren und analysiert werden können. So läuft jetzt die Arbeit. Es entstanden nicht wesentliche, sondern Imageprobleme. Wer soll als erster sagen: „Ich habe die Erfüllung meiner Verpflichtungen wiederaufgenommen?“. Die USA oder der Iran? Der Iran war bereits davon überzeugt, dass es die Amerikaner machen sollen, weil die Amerikaner als erste aus dem Aktionsplan austraten. Die Amerikaner dachten, dass der Iran begonnen hat, seine Verpflichtungen zu verletzen, und unabhängig davon, dass Washington seine Verpflichtungen überhaupt nicht erfüllte, soll der Iran den ersten Schritt machen. Zusammen mit den chinesischen Freunden und mit einem gewissen Verständnis der europäischen Teilnehmer traten wir für die Synchronisierung dieser Bewegung ein, damit es ein Paket der gegenseitigen Schritte gibt. Gerade damit befassen sich jetzt die Verhandlungsteilnehmer in Wien. Sie nahmen eine kurze Pause für katholisches Weihnachten. Doch bis zum Jahresende werden diese Verhandlungen wiederaufgenommen. Der Iran bestätigt, dass wenn die USA vollständig den Weg der Erfüllung ihrer Verpflichtungen wählen, mit der Drohung mit Sanktionen aufhören, die mit dem Aktionsplan und der Resolution 2231 nicht kompatibel sind, wird der Iran vollständig zu seinen Verpflichtungen zurückkehren, einschließlich der Anwendung des Zusatzprotokolls zum Abkommen mit IAEO über allumfassende Garantien.
Ich denke, dass wir eine gute Chance haben. Es ist wichtig auf das Prinzip zu achten, auf dem die Arbeit geführt wird, und dem alle zustimmen – nichts ist abgestimmt, solange nichts abgestimmt ist. Man braucht ein richtiges, gut geprüftes Paket, es ist ziemlich real.
Frage: Wie Sie wissen, warnte der Außenminister Frankreichs, Jean-Yves Le Drian die russischen Behörden von „äußerst ernsthaften Folgen“ im Falle der Invasion Russlands in die Ukraine. Sagen Sie bitte, warum wechselte die Kommunikation mit den westlichen „Kanzleien“ in letzter Zeit ins Format pausenloser Drohungen?
Sergej Lawrow: Danach sollte man lieber sie fragen. Mir bringt das kein Vergnügen, löst aber auch keine negativen Emotionen aus. Wir haben uns daran gewöhnt, dass unsere westlichen Kollegen arrogant sprechen und ständig Erklärungen machen, die ihr Selbstgefühl als Schiedsrichter der Schicksale und solcher sündenlosen, selbstüberzeugten Politiker zeigen. Wir hörten mehrmals von der Führung Frankreichs Erklärungen, dass sie mit Russland einen anspruchsvollen Dialog führen werden. Da machen sie es. Mir scheint, dass auch Russlands Präsident Wladimir Putin und andere Vertreter der russischen Führung in den letzten Wochen mehrmals das Thema Eskalation anschnitten, für die sie uns bestrafen wollen, und bereiten sogar meines Erachtens ein Sanktionspaket auf Vorrat vor (jetzt gibt es bei uns in Sozialen Netzwerken so eine Dienstleistung, wenn man in Geschäften etwas auf Vorrat kauft). Aus der Sicht unserer westlichen Kollegen ist es wohl auch in der Politik anwendbar.
Wir erklärten mehrmals, dass unsere Streitkräfte auf dem eigenen Territorium vorgehen. Zugleich stellten wir die Frage – was machen die Amerikaner, Kanadier, Briten, ihre militärische, Offensivtechnik, Kampffliegerkräfte direkt an der Grenze der Russischen Föderation, darunter in den Ländern Baltikums? Was machen dort ihre Schiffe, die im Schwarzen Meer mit deutlichen Abweichungen von der Norm, die im Vertrag von Montreux festgeschrieben sind, gehen? Als Antwort bekommen wir keine klaren Erklärungen, nur Drohungen. Statt zu Drohungen zu greifen, sollten sich unsere europäischen Kollegen lieber mit ihren direkten Verpflichtungen befassen. Frankreich soll in diesem Fall zusammen mit Deutschland Kiew zur Erfüllung der Minsker Abkommen bewegen und nicht die Aufmerksamkeit ablenken (wie es jetzt versucht zu machen), indem man zu Vorwürfen gegen Russland darüber greift, dass wir Eskalation entfachen und demnächst Donezbecken, bzw. Teil von Donezbecken bzw. die ganze Ukraine erobern werden. Das ist offensichtlich.
Wladimir Selenski und sein Regime entfachen jetzt aktiv das Krim-Thema. So etwas hatte es vor ein paar Jahren nicht gegeben. Damals hofften Menschen noch, dass Kiew irgendwie noch die Minsker Abkommen erfüllen kann, was Wladimir Selenski auch als Präsidentschaftskandidat versprach. Als er aber Präsident wurde, verstand er, dass er das entweder nicht will, oder nicht kann, oder die Neonazis und andere Ultraradikale es ihm nicht ermöglichen werden. Um die Aufmerksamkeit von der absoluten Hilflosigkeit bei der Erfüllung der Minsker Abkommen abzulenken, tauchte das Thema der Krim beinahe als Hauptsymbol der ukrainischen Außenpolitik auf. Daraus ergab sich auch die „Krim-Plattform“ und alles, was sie begleitet. Das sind leere Worte und Erschütterung der Luft. Alle verstehen das sehr gut, darunter unsere westlichen Kollegen, die dieses Spiel spielen. Was sie ernsthaft machen sollen – Selenski dazu bewegen, die Resolution 2202 des UN-Sicherheitsrats zu erfüllen, die die Minsker Abkommen festlegte. Da steht direkt geschrieben, wer, was und in welcher Reihenfolge machen soll. Das sind Kiew, Donezk und Lugansk. Amnestie, Sonderstatus, Durchführung der Wahlen unter den Bedingungen, die zwischen Kiew, Donezk und Lugansk abgestimmt werden, unter OSZE-Schutzherrschaft. Und erst dann die Wiederherstellung der Kontrolle der Streitkräfte der Ukraine entlang der ganzen Grenze. Jetzt wird vorgeschlagen, umgekehrt zu machen – „geben sie uns die Grenze zurück, und wir werden klären, ob wir ein Verfahren eines Sonderstatus haben werden, oder wir andere Beschlüsse haben werden“. Da ist ein Entwurf eines Gesetzes, über den Präsident Wladimir Putin dem Präsidenten Emmanuel Macron, der Bundeskanzlerin Angela Merkel und gestern auch dem Bundeskanzler Olaf Scholz sagte – „Über die Staatspolitik der Übergangszeit“. Er wurde von der Regierung der Ukraine in die Oberste Rada eingereicht. Dieser Gesetzentwurf verbietet offiziellen Personen der Ukraine, die Minsker Abkommen zu erfüllen. Statt Amnestie ist dort Lustration, statt Sonderstatus wird die militärisch-zivile Administration eingeführt, und keine Wahlen, die mit diesem Teil der Ukraine abgestimmt werden, einfach die „Wiederherstellung der Kontrolle über die besetzten Gebiete“, wie sie das sagen. Trotz der Versprechen der Franzosen und Deutschen, Wladimir Selenski von der Durchsetzung dieses Gesetzes abzubringen, implementieren sie es bereits aktiv in den gesetzgebenden Prozess.
Es wurde speziell der Europarat kontaktiert. Die Venedig-Kommission sagte ihnen, dass alles normal sei. Dort gibt es irgendwelche Kommentare zur juridischen Technik, doch die Venedig-Kommission sagte kein einziges Wort darüber, dass es der Resolution des UN-Sicherheitsrats direkt widerspricht.
Ich habe eine dringende Bitte an meinen guten Freund Jean-Yves Le Drian, an die deutschen Kollegen. Wie gesagt, der Gott selbst ließ sich damit befassen. Das wird sie wohl von den künstlichen Besorgnissen wegen einer nicht existierenden Eskalation ablenken.
Frage: Die westlichen Medien spitzen weiterhin die Lage um die ukrainische Krise zu. CNN berichtet seit langem über Tausende russische Soldaten an der ukrainischen Grenze. Sie sagten bereits mehrmals, dass solche Zuspitzung eine Sonderoperation ist und Russland in diesem Zusammenhang im November dieses Jahres auf einen präzedenzlosen Schritt einging, wobei diplomatische Verhandlungen mit Frankreich und Deutschland veröffentlicht wurden. Damals wurde gesagt, dass es gemacht wurde, damit die Position Russlands zum ukrainischen Friedensprozess nicht verzerrt wird. Sagen Sie bitte, ob mit dieser Veröffentlichung die gestellte Aufgabe erfüllt wurde?
Sergej Lawrow: Ich bin davon überzeugt, dass diese Aktion nicht umsonst unternommen wurde. Ich versuche nicht, an das Gewissen von jemandem zu appellieren, bzw. das Schamgefühl auszulösen. Wir arbeiten im diplomatischen Bereich. Hier sind Emotionen nicht der beste Helfer. Man braucht gesunden Zynismus, wie ein Kollege von mir sagte. Aus der Sicht des gesunden Zynismus sind die Verhandlungen, um die es sich handelt, anschaulich. Sie widerlegen vollständig die Behauptungen, die zu hören waren, bevor man die Karten aufdeckte, als ob Russland die Arbeit des Normandie-Formats blockiert. Das stimmt nicht. Wir sind sehr darüber besorgt, dass Kiew die Minsker Abkommen verzerrt. Ich sagte bereits bei der Antwort auf die vorherige Frage, dass die Franzosen und Deutschen als Mitverfasser dieses Dokuments, Teilnehmer des Normandie-Formats damit beginnen, sich zu 100 Prozent auf die Seite des ukrainischen Regimes zu stellen.
Früher sagten sie uns, dass die Minsker Abkommen alternativlos sind, dass sie von allen erfüllt werden sollen. Am 12. Oktober fand der Ukraine-EU-Gipfel statt, auf dem gesagt wurde, dass Russland etwas „muss“ und Kiew brav ist und seine Verpflichtungen sowohl im Normandie-Format, als auch in der Kontaktgruppe gut erfüllt.
Vor kurzem fand am Rande des Gipfels „Östliche Partnerschaft“ in Brüssel ein Treffen des Präsidenten Wladimir Selenski mit den Anführern Deutschlands und Frankreichs statt.
Dort wurde auch eine volle Unterstützung der Handlungen Kiews bei der Erfüllung der Minsker Vereinbarungen zum Ausdruck gebracht. Entweder gaben unsere Kollegen zu verstehen, dass sie nicht imstande sind, die Erfüllung davon, was sie selbst zusammen mit uns erstellten, zu gewährleisten, oder sie nahmen bewusst den Kurs auf die absichtliche Untergrabung der Minsker Abkommen zugunsten des Kiewer Regimes. Ich weiß nicht, wie sich die Situation weiterentwickeln wird, doch wir werden eine faire Erfüllung dieser Dokumente anstreben, weil man den dortigen Text nicht anders lesen kann. Dort steht geschrieben: zunächst die Waffenruhe, Rückzug schwerer Waffen, Wiederherstellung der Wirtschaftsverbindungen, was jetzt nicht nur nicht gemacht wurde, sondern dauert eine absolute handelswirtschaftliche und Verkehrsblockade einzelner Territorien der Gebiete Lugansk und Donezk an.
Wenn dazu, damit sich die Menschen dort nicht am Rande des Aussterbens erweisen, ihnen russische Pässe ausgestellt werden, Ermäßigungen für ihre Unternehmen, damit sie auf dem russischen Markt arbeiten und ihre Mitarbeiter mit Einnahmen versorgen können, bereitgestellt werden, wird uns vorgeworfen, dass wir die Minsker Abkommen untergraben.
Bezüglich der Staatsangehörigkeit ist es überhaupt lächerlich. Sowohl die Polen, als auch Ungarn und Rumänen geben Pässe ihren ethnischen Brüdern, die in der Ukraine wohnen. So war es seit Jahrzehnten und löste bei niemandem Emotionen aus. Jetzt wird Russland attackiert, und nicht einfach durch Kiewer Radikalen, auch der Westen beginnt, sie zu unterstützen. Das ist traurig.
Als in Genf der Gipfel stattfand, äußerte der US-Präsident Interesse daran (wie er sagte, ohne das Normandie-Format zu untergraben), die Möglichkeiten der USA zu nutzen, um bei der Erfüllung der Minsker Vereinbarungen zu helfen, indem hervorgehoben wurde, dass er sehr gut versteht, dass sie die Gewährung eines Sonderstatus für diese Gebiete vorsehen. Wir haben das aktiv unterstützt. Danach ging es um solches Herangehen während des Besuchs der US-Vizeaußenministerin Victoria Nuland in Russland. Dann kam die Assistentin des US-Außenministers Karen Donfried, besprach mit und ukrainische Angelegenheiten. Sie alle bestätigten die Notwendigkeit der Bestimmung des Sonderstatus von Donezbecken gemäß den Minsker Vereinbarungen. Dasselbe sagte mir in Stockholm am Rande des OSZE-Außenministerrats am Anfang Dezember der US-Außenminister Antony Blinken.
Wir werden hoffen, dass wenn die USA das Verständnis der Notwendigkeit haben, eine offene Sabotage, Willkür seitens der Kiewer Behörden zu beenden, werden wir uns darüber nur freuen. Es gibt Versuche unter Politologen, zu rätseln, ob es irgendein Austausch sein wird. Man kann ja die Minsker Vereinbarungen erfüllen, dann irgendwelche Abschreckungsmaßnahmen im Kontext der Initiativen vereinbaren, die Russland bezüglich der Sicherheitsgarantien, einschließlich der Garantie der Nichterweiterung der Nato gen Osten und Ausschließen der Stationierung jeglicher Waffen, die uns bedrohen, in den Nachbarländern, von wo sie eine Drohung für die Russische Föderation darstellen können, vorlegte. Ich würde nicht solche „Rätseln“ kommentieren. Für uns ist Beides prinzipiell wichtig – sowohl die volle Erfüllung der Minsker Vereinbarungen, einschließlich der Forderung an die Ukraine, die Rechte der nationalen Minderheiten (wie das auch in der Verfassung der Ukraine und europäischen Übereinkommen, deren Mitglied der ukrainische Staat ist, festgeschrieben), als auch das, was breitere Sicherheitsgarantien, Klarheit und Voraussagbarkeit bei den Beziehungen zwischen Russland und der Nato betrifft.
Frage: Wie betrachten Sie die Wahrscheinlichkeit der Eskalation der Situation, eines bewaffneten Konfliktes und wie wird in solchem Fall Ihr Dienst reagieren?
Sergej Lawrow: Unsere Philosophie ist seit langem gut bekannt. Sie besteht in den Zeilen eines bekannten Liedes: „Ob die Russen einen Krieg wollen?“. Wir wollen keinen Krieg. Russlands Präsident Wladimir Putin sagte nochmals darüber, wir brauchen keine Konflikte, und wir hoffen, dass auch niemand Konflikte als eine erwünschte Handlungsweise betrachtet. Wir werden unsere Sicherheit hart mit den Mitteln gewährleisten, die wir für notwendig halten werden. Wir warnen die „Hitzköpfe“. Es gibt sie viel in der Ukraine, auch im Westen gibt es einige politische Vertreter, die versuchen, solche aggressive Handlungen in der Ukraine zu ernähren. Die Idee ist einfach – je mehr es Reizfaktoren an unseren Grenzen geben wird, desto mehr Hoffnungen werden sie haben, Russland aus dem Gleichgewicht zu bringen, damit es ihnen nicht dabei stört, entsprechende geopolitische Gebiete zu erschließen. Präsident Wladimir Putin sagte gestern sehr eindeutig auf dem Kollegium des Verteidigungsministeriums Russlands – wir haben alle notwendigen Möglichkeiten, um eine entsprechende, darunter militärtechnische Antwort auf jede Provokationen, die sich um uns bilden können, zu gewährleisten. Ich möchte nochmals sagen, dass wir es gar nicht wollten, solchen Weg zu wählen – den Weg der Konfrontation. Die Wahl ist bei unseren Partnern. Dass die Führung der USA ziemlich umgehend mit uns das Rahmen der weiteren Arbeit (trotz einer ernsthafter bevorstehenden Arbeit zum Wesen des Problems) abstimmte, betrachte ich als einen positiven Schritt kurz vor dem neuen Jahr.
Frage: Sie erwähnten die Änderung der Position der deutschen Seite zu den Minsker Abkommen. In den letzten einigen Jahren ist die Verschlechterung der bilateralen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland zu erkennen. Berlin macht dafür Moskau verantwortlich. Worin liegt Ihres Erachtens der Grund?
Sergej Lawrow: Ich habe dieses Thema schon angeschnitten. Hören sie mal, was die deutsche Bundesministerin der Verteidigung Christine Lambrecht, EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (als sie in der Bundesregierung arbeitete und jetzt im Namen der ganzen Struktur) sagen. Der Text ist ungefähr so: wir sind an normalen Beziehungen zu Russland interessiert, doch es soll zunächst „sein Verhalten ändern“. Ich hatte ein Telefongespräch mit der Bundesaußenministerin Deutschlands, Annalena Baerbock. Wir hatten ein nicht schlechtes Gespräch. Ich bestätigte unseren Vorschlag, nach Russland zu kommen, sie hat es vor, das zu machen. Ich machte darauf aufmerksam, dass im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung Deutschlands die These über die Tiefe und Vielfalt der russisch-deutschen Verbindungen festgeschrieben ist, die Ausrichtung auf einen konstruktiven Dialog widerspiegelt ist. Dort gibt es auch andere Herangehensweisen zu den Beziehungen zu Russland: beleidigende Mantras, dass die Zivilgesellschaft bei uns massiv beeinträchtig wird, Forderungen der Einstellung der Destabilisierung der Situation in der Ukraine u.v.m.
Die Traditionen der deutschen Demokratie sind so, dass man die Zusammensetzung der Koalitionen auf verschiedene Weise kombinieren muss. Gar nicht immer ist es homogen. Das ist das Leben. Wir nehmen das als einen Fakt an. An der Spitze der Koalition steht die SPD. Gerade mit SPD-Vertretern sind die ergebnisreichsten Perioden des Zusammenwirkens, Koexistenz und gegenseitiger Zusammenarbeit Moskaus und Berlins verbunden. Wir hoffen, dass die Koalitionspartner der SPD auch mehr Aufmerksamkeit dem widmen werden, wie man eine positive Tagesordnung wiederaufnehmen soll. Das Herangehen, das es eindeutig vorsieht, dass die andere Seite alles richtig macht und tadellos ist, und es angeblich Russland ist, das das „Verhalten ändern“ soll – so kann es nicht sein.
Frage: Die Präsenz der US-Truppen bleibt eine spürbare Bedrohung für die territoriale Integrität Syriens. Russland rief mehrmals zum Abzug der Truppen auf, doch sie sind immer noch dort. Wie lange wird dieses Problem bleiben? Was kann die USA zum Truppenabzug bewegen? Wie sind die wahren Ziele?
Sergej Lawrow: Die wahren Ziele sind ziemlich verständlich. Die Amerikaner verheimlichten sie nicht besonders. Sie nahmen die Kohlenwasserstoffe, Vorkommen am östlichen Ufer des Euphrat, Landwirtschafts-Grundstücke unter Kontrolle. Dort wurde der kurdische Separatismus umfassend gefördert. Das wissen alle. Die Gebiete, auf denen das vor sich geht, treffen zum Teil die traditionellen Wohngebiete der arabischen Stämme. Das bringt nicht mehr Harmonie und Ansehen für die US-Planer der Handlungen in der syrischen Richtung, einschließlich des kurdischen Faktors und Berücksichtigung der Beziehungen zwischen den Kurden und Arabern.
Dort ist die Situation schwer, die mit der Position der Türkei verbunden ist. Die kurdischen Organisationen, die mit Amerikanern kooperieren, werden von Ankara als Abteilungen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) betrachtet, die es als Terrororganisation bezeichnet. Die Kurden selbst (unter anderem der politische Flügel der Partei Demokratische Union, Rat des demokratischen Syriens) sollen die Position bestimmen. Auf einer Etappe sagte der US-Präsident Donald Trump, dass sie aus Syrien weggehen, sie haben dort nichts zu tun. Die Kurden begannen sofort zu bitten (darunter uns), bei der Aufnahme eines Dialogs mit Damaskus zu helfen. Nach einigen Tagen wurde Donald Trump desavouiert – jemand im Pentagon sagte, dass sie mittlerweile nicht weggehen. Die Kurden verloren sofort das Interesse am Dialog mit der syrischen Führung. Man soll verstehen, dass die Amerikaner letzten Endes weggehen werden. Sie bekommen jetzt dort mehr Probleme, wo sie ihre Regeln einführen, darunter das Flüchtlingslager Rukban und die 55-Kilometer-Zone um at-Tanfa, doch sie können die Lebenstätigkeit dieser Strukturen real nicht gewährleisten. Zudem häuften sich unter Flüchtlingen viele Banditen und Terroristen an. Ich bin davon überzeugt, dass die Kurden eine prinzipielle Position einnehmen sollen. Wir sind bereit, dabei zu helfen. Sie kommen zu uns. Vor kurzem war hier die Vorsitzende des Exekutivausschusses des Demokratischen Rats Syriens, Elham Ahmad.
Wir erklären den türkischen Kollegen, dass wir gar nicht die für die Türkei negativen Tendenzen fördern wollen. Im Gegenteil, unsere Aufgabe besteht darin, dabei zu helfen, in der Praxis die Forderung des Respekts der Souveränität und territorialen Integrität Syriens zu gewährleisten. Die Berücksichtigung der Interessen der nationalen Minderheiten ist eine der wichtigsten Bedingungen. Die USA verstehen, dass es ihnen dort nicht bequem ist. Solange sie dort bleiben, läuft der Dialog zwischen den Militärs ziemlich effektiv aus der Sicht der Verhinderung der nicht beabsichtigten Vorfälle. Es laufen ziemlich vertrauensvolle Konsultationen zum Meinungsaustausch über den politischen Prozess und den Aussichten der Erfüllung der Resolution des UN-Sicherheitsrats.
Frage: Der Nationale Sicherheitsberater des US-Präsidenten Jake Sullivan sagte vor kurzem offen, dass die USA aktiv versuchen, die aufgestellte Weltordnung via Bildung neuer Allianzen, Partnerschaften und Institute zu ändern, die im Interessen Washingtons funktionieren sollen. Inwieweit ernsthafte Bedrohung stellen solche Versuche für den Einfluss Russlands dar? Welche konkreten Schritte unternehmen russische Diplomaten und die Führung des Landes, um die Senkung der Effizienz der UNO nicht zuzulassen?
Sergej Lawrow: Das ist kein neues Thema. Ich erwähnte bereits, dass die USA und ihre Verbündeten nicht mehr den Begriff „Völkerrecht“ verwenden. Sie sprechen von der Notwendigkeit für alle, die „auf Regeln beruhende Weltordnung“ zu respektieren. Das gehört auch dazu. Im UN-System gibt es eine riesengroße Zahl der Programme, Fonds, Spezialeinrichtungen, regionaler Wirtschaftskommissionen, wo alle ohne Ausnahmen Länder vertreten sind, sie sind für die Teilnahme aller Mitglieder der Organisation offen. Zudem werden zu diesen Themen auch Plattformen außerhalb der UNO gebildet.
Im Rahmen des Pariser Friedensforums wurde die Schaffung eines Mechanismus zum Schutz der Journalisten und Medienfreiheit und viele andere Initiativen im Bereich Sicherheit im Cyberraum, Festigung des internationalen humanitären Rechts ausgerufen. Bei allen diesen Fragen gibt es UNESCO, UN-Menschenrechtsrat bzw. andere Strukturen, wo auf universeller Grundlage alle Regeln abgestimmt sind. Die UN-Charta ist auch eine Regel. Wir sind nicht gegen Regeln an sich. Nur für Regeln, die von allen unterstützt werden.
Unsere westlichen Kollegen sehen in einer ganzen Reihe der Richtungen (Pressefreiheit, Zugang zu Informationen, Situation im Cyberraum) eine Bedrohung für ihre Interessen. Wenn man sich auf einer universellen UN-Plattform setzt, um für alle annehmbaren Regeln abzustimmen, wird das ihre Interessen verletzen, die sie einseitig in einem jeweiligen Bereich der menschlichen Tätigkeit bevorzugend machen wollen. Daraus ergibt sich das alles. Der Westen will, dass auf den Plattformen, wo sie ihre „Regeln“ bilden, nicht nur Regierungen, sondern auch Geschäft, Institute der Zivilgesellschaft vertreten sind, damit man den Zwischenregierungscharakter der Vereinbarungen, die nachhaltig sein können, verwischt. Das sind die Linie, die Politik, der Kurs, den sie aktiv durchsetzen. Wir denken, dass es eine falsche Deutung davon ist, was heute für internationale Beziehungen notwendig ist.
Mein Kollege, US-Außenminister Antony Blinken, sagte, dass die USA nicht ohne die führende Rolle in der modernen Welt, Bestimmung der „Regeln“ in der modernen Welt auskommen können. Viele seine Gesprächspartner (fast alle in der Welt) sagen angeblich jedes Mal, wie es gut ist, dass die USA sie wieder leiten. Wenn sie das nicht machen und jemand anderer die Führungsrolle übernimmt, beginnt der Chaos, so Blinken. Solche Philosophie ist ziemlich egoistisch. Um die Tendenzen der Rückkehr zum Diktat, Hegemonie zu überwinden, schlug Russlands Präsident Wladimir Putin vor, einen Gipfel der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats einzuberufen. Nicht weil sie wichtiger als andere sind – sie tragen gemäß der UN-Charta besondere Verantwortung, die die Abstimmung gemeinsamer Ideen davon vorsieht, wie man den internationalen Frieden und Sicherheit festigen soll. Solche Empfehlungen wären mit Interesse von der ganzen restlichen Weltgemeinschaft wahrgenommen.
Wir fördern diese Idee, sie wird durchgearbeitet. Jetzt besprechen wir auf der Vorbereitungsetappe konkrete Parameter. Wir werden auch Organisationen aktiv nutzen, um das Völkerrecht zu schützen – UNO, GUS, OVKS, EAWU, BRICS, SOZ, G20. Die G20 ist eine konzentrierte Gestalt des ganzen Spektrums der UN-Mitgliedsstaaten. Dort sind führende Staaten des Westens (G7), BRICS-Länder und ihre Gleichgesinnten vertreten. Das ist gerade die Plattform, wo man die Empfehlungen ausarbeiten kann und soll, die dann zur Erörterung durch universelle Formate, vor allem UNO, vorgelegt werden.
Frage: Das Gericht in Den Haag zum MH17-Fall lehnte die Bitte der Verteidigung der Angeklagten, die Angaben des Zeugen S-45 offenzulegen und das Protokoll seiner Befragung vorzulegen, wo er behauptete, dass die Rakete, die die malaysische Boeing abschoss, nicht von der Stelle, wie das die Ermittlung behauptet, abgefeuert wurde. Wann wird der Beschluss zu diesem Fall bekanntgegeben? Wie wird Russland auf die Vorwürfe reagieren?
Sergej Lawrow: Wenn der Beschluss bekanntgegeben wird, dann werden wir uns dazu äußern. Jetzt verfolgen wir aufmerksam den Prozess, vor allem weil es sich um russische Staatsbürger handelt, die Angeklagten auf dieser Etappe sind. Wir sehen die Versuche, den Eindruck zu bilden, als ob es gar kein Strafverfahren, sondern ein staatliches Problem ist, weil Russland diese Menschen angeblich leitete. Das ist absolut unannehmbar, das sind Versuche mit untauglichen Mitteln. Das ist ein Strafprozess und wir nehmen ihn als solchen wahr. Unvoreingenommene Juristen verstehen, dass es gerade so ist. Eine riesengroße Zahl der Ungereimtheiten, Nichteinhalten der Regeln eines unvoreingenommenen Gerichtsprozesses, Aktenführung, Befragung der Zeugen. Fast alle Zeugen werden geheim gehalten, darunter der Zeuge, über den sie sagten, der ein Schlaglicht auf die Fakten werfen könnte, die von der Ermittlung bislang ignoriert werden. Dass die Bitte des Anwalts der Angeklagten ohne jegliche Erklärung abgelehnt wurde, bedeutet auch viel. Es wurde das Feldexperiment ignoriert, das vom Konzern Almas-Antej organisiert wurde. Es beweist, dass die Behauptung über einen konkreten Typ der eingesetzten Rakete nicht mit Fakten belegt wird. Unser Verteidigungsministerium legte Dokumente vor, die bestätigen, dass die Rakete, um die es geht, 1986 hergestellt und in ein Division in der Ukraine geliefert wurde, wo sie bis zu ihrem Einsatz blieb. Das alles wird ignoriert.
Ich möchte auf die Fakten aufmerksam machen, die zwar mehr einen politischen Charakter haben, aber ziemlich überzeugend sind. Als sich diese Katastrophe ereignete, kamen als erste zur Absturzstelle die Vertreter Malaysias. Es war ihr Flugzeug, ihre Airlines. Zusammen mit den Aufständischen (die „Separatisten“, „Terroristen“ u.a. genannt werden) entdeckten sie die Blackboxe. Die Aufständischen übergaben diese Blackboxe zur Analyse, ohne zu versuchen, sie zu verstecken. Sie wurden nach London zu einer Expertise geschickt, ihre Ergebnisse wurden bislang nicht vorgelegt. Also die Aufständischen halfen dabei, die Situation in den ersten Stunden nach dem Absturz zu klären. Die Niederländer tauchten da viel später auf. Ein bemerkenswerter Aspekt: Niederlande, Belgien, Australien und Ukraine schufen eine gemeinsame Ermittlungsgruppe, wo Malaysia nicht eingeladen wurde. Malaysia wurde nach 5 Monaten eingeladen, obwohl der Inhaber des Flugzeugs laut Regeln der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation seit den ersten Minuten daran teilnehmen soll.
Der dritte Fakt, den jene beharrt nicht bemerken wollen, die Vorwürfe gegen den russischen Staat erheben: Gerade wir waren der Initiator der Verabschiedung einer Resolution des UN-Sicherheitsrats einige Tage nach der Tragödie, die die Internationale Zivilluftfahrtorganisation mit einer unvoreingenommenen Untersuchung beauftragte und Prinzipien festlegte, auf denen sie erfolgen sollte. Seit der Zeit wurde diese Organisation zur Untersuchung kaum herangezogen. Sie wurde von dieser gemeinsamen Ermittlergruppe, wo Malaysia erst am Ende des Jahres eingeladen wurde, usurpiert. Neben dem von mir erwähnten Feldexperiment des Konzerns Almas-Antej, dessen Ergebnisse von der Ermittlung ignoriert wurden, legte Russland primäre Angaben von seinen Radaren vor, die ebenfalls als Argumente abgelehnt wurden, obwohl es absolut unwiderlegbare faktische Angaben sind. Gleichzeitig bittet niemand die Ukraine, ihre Radarangaben offenzulegen. Das Gericht begnügte sich mit den Erklärungen Kiews, dass die Radaranlagen gerade an diesem Zeitpunkt nicht funktionierten. Niemand bittet die Ukraine, die Aufzeichnungen der Gespräche der Fluglotsen mit MH17 vorzulegen, die Frau, die am Telefon in der Fluglotsenkabine saß, ist kaum zu finden.
Dort gibt es viele Fragen. Niemand bittet die Amerikaner, die Satellitenangaben zu zeigen, die, wie sie sagten, die Richtigkeit der Ermittlung unwiderlegbar beweisen. Die Ermittlung schrieb einfach, dass die US-Seite über solche Satellitenaufnahmen verfügt. Für die Ermittlung reicht diese Behauptung aus.
Man kann die Liste solcher Ungereimtheiten und offener Verletzungen der Prinzipien der Unvoreingenommenheit, Ignorieren der offensichtlichen Fakten fortsetzen. Natürlich versuchten die Verwandten in den Niederlanden, einen Prozess zum Problem der Nichtsperrung des Flugraums durch die Ukraine einzuleiten. Dieser Antrag wurde einfach abgelehnt, es wurde betont, dass er mit dem Fall nicht zu tun hat.
Wollen wir zu den modernen Realien zurückkehren. Im Frühjahr dieses Jahres erfolgte die erste Welle der Vorwürfe gegen Russland wegen der Tatsache, dass wir Militärübungen auf unserem Territorium nahe unserer westlichen Grenzen durchführen. Niemand sah irgendwelche Kampfhandlungen, es konnte sie dort nicht geben. Doch nur weil dort Übungen stattfanden, riefen die USA ihre Airlines offiziell dazu auf, über dieses Gebiet nicht zu fliegen. Also sogar die Übungen wurden von den Behörden der USA als ein ausreichender Grund betrachtet, und als alle sehr gut wussten, dass im Juli 2014 ein echter Krieg im Donezbecken lief, wurde der Luftraum nicht gesperrt. Jetzt schweigen alle, meinen, dass es mit dem Fall nicht zu tun hat. Die Ukraine hätte ja angeblich nicht den Luftraum sperren sollen. In dieser Geschichte gibt es sehr viele solche Doppelstandards, wie auch in vielen anderen Geschichten, die mit der Ausarbeitung der Herangehens des Westens zu gewissen Ereignissen im internationalen Leben verbunden sind.