la República de Cuba
Interview Außenministers Russlands Sergej Lavrov der Nachrichtenagentur „Nowosti“ hinsichtlich Beziehungen zwischen Russland und den Staaten Lateinamerikas und der Karibik
Frage: Worauf ist wesentliche Aktivierung der Beziehungen zwischen Russland und den Staaten Lateinamerikas und der Karibik in der letzten Zeit zurьckzufьhren?
Sergej Lavrov: Das stimmt. Die Beziehungen zwischen Russland und den Staaten Lateinamerikas und der Karibik entwickeln sich in den letzten Jahren sehr dynamisch. Die Hauptursache stellen objektiv identische Interessen dar. Die Aktivierung der politischen, handelswirtschaftlichen, wissenschaftlicher und humanitдr-kultureller Zusammenarbeit mit den Staaten Lateinamerikas und der Karibik gehцrt zu den Prioritдten der russischen Politik. Darauf orientiert uns das von Prдsident Dmitri Medvedev genehmigte auЯenpolitische Konzept der Russischen Fцderation.
Bei der Gestaltung einer neuen, sichereren und gerechteren Weltordnung, bei der Lцsung von gegenwдrtigen Schlьsselproblemen aufgrund der Treue den grundliegenden Vцlkerrechtsnormen und -Prinzipien, bei der Stдrkung der multilateralen Mechanismen der Regelung der internationalen Beziehungen und bei der Stдrkung der zentralen Rolle der UNO im Weltgeschehen sind Russland und lateinamerikanische Staaten natьrliche Verbьndete. Wir lehnen Versuche ab, einseitige Herangehen aufzuzwingen, sind bereit, die Interessen der Partner nicht mit Worten, sondern durch Taten zu achten, das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der souverдnen Staaten strikt einzuhalten, Krisen und Konflikte durch Verhandlungen gemeinsam beizulegen. All das bringt uns einander nдher.
Im August dieses Jahres, wдhrend der Ereignisse um Sьdossetien, haben viele lateinamerikanische Lдnder direkt erklдrt, dass sie die georgische Aggression und die US-Politik im Kaukasus verurteilen und Russlands Vorgehen, um Tiflis zum Frieden zu zwingen unterstьtzt. Nicaragua hat Abchasien und Sьdossetien als unabhдngige Staaten offiziell anerkannt.
Sehr schnell – um 25–30% jдhrlich – entwickelt sich die russisch-lateinamerikanische handelswirtschaftliche Zusammenarbeit. In diesem Jahr erwarten wir einen Rekordumsatz – ca. 15 Mrd. USD. Wir sind gewillt, unsere handelswirtschaftlichen Beziehungen, u.a. Zusammenarbeit im Investitionsbereich, zu vertiefen. Wir wollen den Schwerpunkt auf die Entwicklung der russischen Ausfuhr im Hi-Tech-Bereich, auf die Entwicklung des Zusammenwirkens bei der Energieerzeugung, Gas- und Erdцlfцrderung und -Transport, im Maschinenbau, in der Metallurgie, im Verkehrswesen, bei der friedlichen Nutzung der Atomenergie und Forschung des Weltalls setzen.
Allmдhlich leben die besten Traditionen der russisch-lateinamerikanischen Zusammenarbeit im humanitдr-kulturellen Bereich auf. Davon zeugen russische Tage, die neulich in sieben Lдndern – Kuba, Costa Rica, Venezuela, Brasilien, Argentinien, Chile und Paraguay – veranstaltet wurden. Dazu gehцrten Filmwochen, Fotoausstellungen, Konzerte des Chors des Sretenskij Klosters.
Die Entwicklung der gegenseitig vorteilhaften Beziehungen zu den lateinamerikanischen Lдndern stьtzt sich auf die stдndig erneuerte vertragsrechtliche Grundlage. Im letzten Jahrzehnt sind ьber 150 gemeinsame Dokumente unterzeichnet worden, die verschiedene Bereiche umfassen - vom Weltall bis zum Sportaustausch.
Frage: Wie stellen Sie sich die Rolle Lateinamerikas in der modernen Welt vor?
Sergej Lavrov: Lateinamerika integriert sich schnell in die globale Politik und Wirtschaft, wird objektiv zu einem der Zentren des Wirtschaftswachstums und des politischen Einflusses, behauptet ihre eigenstдndige Rolle im Weltgeschehen. Wir sind ьberzeugt, dass dies die Stabilitдt des sich bildenden multipolaren Systems der Weltordnung fцrdert.
Das heutige Lateinamerika stellt eine Gesamtheit der nach der Bedeutung und dem Potential verschiedener Lдnder dar. Das sind auch solche Riesen, wie Brasilien, Mexiko, Argentinien, die das Weltgeschehen stark beeinflussen, sowie kleine Inselstaaten. Sie stellen einen wichtigen Bestandteil der kulturellen Vielfalt der modernen Welt dar. Jeder von diesen Staaten ist einmalig und einzigartig, jeder hat seine eigene Stimme auf dem internationalen Schauplatz, ist also unser vollwertiger Partner.
Es gibt 33 Staaten in der Region. Deren Gesamtbevцlkerung betrдgt ca. 550 Mio. Menschen, sie verfьgt ьber ein hohes betriebswirtschaftliches und geistiges Potential, hat einen sich dynamisch entwickelnden Markt und ein entwickeltes Bankensystem. Das gesamte BIP der Region betrдgt $ 3 Billion, ist also 2,5-mal grцЯer, als in den ASEAN-Lдndern.
Brasilien und Mexiko nehmen am Prozess von Heiligendamm aktiv teil, der auf die Vertiefung des Dialogs zwischen G8 und den fьnf fьhrenden Entwicklungslдndern ausgerichtet ist. Brasilien nimmt darьber hinaus am Dialog im BRIK-Format teil, das auch Russland, Indien und China vereint, also die sich besonders dynamisch entwickelnden Wirtschaften der Welt.
Fьr Russland ist Lateinamerika ein natьrlicher konstruktiver Partner. In einigen Staaten des Kontinents sind neue Leader an die Macht gekommen, die eine unabhдngige AuЯenpolitik verfolgen, eine sozial ausgerichtete Marktwirtschaft aufbauen wollen, und das erцffnet neue Mцglichkeiten fьr die Entwicklung unserer Beziehungen, erlaubt es, das Potential unserer Zusammenarbeit besser zu realisieren, neue Formate der gemeinsamen Bemьhungen aufgrund der gleichen Interessen einzusetzen.
Frage: Sie sagen, dass die Haltungen Russlands und der meisten lateinamerikanischen Lдnder in den wichtigsten auЯenpolitischen Fragen zusammenfallen, dass man das handelswirtschaftliche Zusammenwirken sowie die bilaterale Zusammenarbeit in anderen Bereichen entwickeln kann. Es gibt aber die Meinung, dass unsere Annдherung mit den lateinamerikanischen Staaten vor allem aus der diplomatischen Konkurrenz mit den USA resultiert. Ist es so?
Sergej Lavrov: Das ist absolut falsch. Im XXI. Jahrhundert дndert sich die Welt sehr schnell. Es entwickeln sich neue Anreize fьr die Staaten, sich ideologiefrei zu verhalten.
Heute ist das Blockdenken in dieser Region, sowie in der ganzen Welt, Vergangenheit. Die Lateinamerikaner lehnen Demokratie und Marktwirtschaft als fundamentale Grundlagen des politischen Aufbaus und des Wirtschaftslebens der Gesellschaft keinesfalls ab. Aber deren praktische Umsetzung und Formen sind in verschiedenen Lдndern verschieden. Die Region sucht nach eigenen Wegen bei der Festigung der Demokratie und der innenpolitischen Stabilitдt, bei der Gewдhrleistung des stabilen Wirtschaftswachstums.
Es geht um souverдne Entscheidungen, die ausschlieЯlich im Kompetenzbereich der Vцlker und Regierungen jeweiliger Lдnder liegen. Was Russland betrifft, so sind wir bereit, die gegenseitig vorteilhafte gleichberechtigte Zusammenarbeit mit allen Lдndern der Region frei von allen ideologischen Motiven zu entwickeln. Davon zeugt, z.B., das Programm der Reise des Prдsidenten Dmitri Medvedev nach Lateinamerika. Geplant ist seine Teilnahme am APEC-Forum in Lima, offizielle Besuche in Peru, Brasilien, Venezuela, mцglicherweise auch in anderen Lдndern. Eine Reihe von bilateralen Treffen Dmitri Medvedevs mit den Fьhrern der lateinamerikanischen Staaten wird im Rahmen der APEC-Veranstaltungen stattfinden. AuЯerdem wird der russischen AuЯenminister zum ersten Mal mit einem offiziellen Besuch nach Kolumbien und Ekuador kommen. Ende dieses – Anfang des nдchsten Jahres werden nach Moskau die Fьhrer Argentinien, Kubas, Nikaraguas und Uruguays kommen.
Ich bin ьberzeugt, dass die russisch-lateinamerikanischen Beziehungen groЯe Zukunft haben. Unsere Zusammenarbeit ist gegen keine Dritten Lдnder ausgerichtet und frei von der politischen Konjunktur.
Frage: Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit zwischen Russland und den Staaten Lateinamerikas und der Karibik im militдrtechnischen Bereich?
Sergej Lavrov: Ich will den militдrtechnischen Bereich nicht aus dem gesamten Kontext des russisch-lateinamerikanischen Zusammenwirkens ausgliedern. Wie bekannt genieЯt die in Russland produzierte Militдrtechnik zu Recht ein hohes Ansehen, hat also eine groЯe Nachfrage auf den Weltmдrkten.
Russland hat Verstдndnis fьr den Wunsch vieler lateinamerikanischer Lдnder, die Quellen der von ihnen eingekauften Technik im Rahmen der Modernisierung ihrer Streitkrдfte zu diversifizieren. Unsere militдrtechnische Zusammenarbeit ist transparent, wir halten alle von uns ьbernommenen internationalen Verpflichtungen strikt ein. Wie bekannt sind gegen lateinamerikanische Lдnder keine Einschrдnkungen bzw. Sanktionen des Weltsicherheitsrates im Bereich der Einkдufe von Waffen eingefьhrt. Die von uns gelieferte Militдrtechnik stellt keine Angriffswaffen dar. Nach deren technischen Daten sind es Verteidigungswaffen.
Frage: Wie entwickelt sich unsere Zusammenarbeit mit den lateinamerikanischen Integrationsverbдnden?
Sergej Lavrov: Ich habe bereits gesagt, dass Lateinamerika nach eigenen Rezepten und Modellen der sozialwirtschaftlichen Entwicklung sucht. Dies betrifft auch neue Formen der Integration, die den Anforderungen der Zeit besonders gut entsprechen. In der Region gehen aktive Integrationsprozesse vor. Sie haben verschiedene Geschwindigkeit, verlaufen auf verschiedenen Ebenen. Die Wirtschaften der daran beteiligten Lдnder ergдnzen einander immer mehr. Ich glaube, das ist ein positiver Trend. Solche Strukturen, wie z.B., Gemeinsamer Markt des Sьdens, die Bolivarianische Alternative fьr die Vцlker unseres Amerika, die Andengemeinschaft und die Karibische Gemeinschaft, das Mittelamerikanische Integrationssystem werden immer stдrker. Sie werden zu Mechanismen der politischen Koordination, behalten jedoch dabei ihren wirtschaftlichen Charakter.
Heute ist fьr die Region der Zusammenfluss und die gegenseitige Bereicherung von diversen Integrationsstrukturen charakteristisch. Infolge der Konsolidierung der Vereinigungstrends in Sьdamerika wurde neulich die Union Sьdamerikanischer Nationen gegrьndet. Wir versuchen konstruktive Beziehungen zu allen lateinamerikanischen Verbдnden zu entwickeln. Im politischen Bereich wirken wir mit der Rio Gruppe, sowie mit der Organisation der amerikanischen Staaten und dem Lateinamerikanischen Integrationssystem zusammen, wo Russland einen Beobachterstatus hat.
Frage: Wie entwickeln sich die Beziehungen zu unseren Landsleuten in lateinamerikanischen Staaten?
Sergej Lavrov: Russische Gemeinden – und in Lateinamerika leben etwa 200-250 Tausend Aussiedler aus Russland und der ehemaligen UdSSR — gibt es praktisch in jedem Land. Viele von ihnen haben sich bereits im letzten Jahrzehnt gebildet und vereinigen unsere Professoren und Fachleute, die ihre Studenten mit den Errungenschaften der russischen Wissenschaft und Technik bekannt machen. Unsere Landsleute nehmen an der Tдtigkeit der Verbдnde und Gesellschaften der Freundschaft, der Zentren der russischen Sprache und Kultur aktiv teil, helfen bei der Vorbereitung von Ausstellungen und Gastspielen russischer Kьnstler.
Das AuЯenministerium und russische diplomatische Vertretungen in den Lдndern der Region schenken eine groЯe Aufmerksamkeit der Vertiefung des Zusammenwirkens mit den Landsleuten, tun alles zur Konsolidierung der Diaspora und Ihrer Organisationen, zur Fцrderung der Russischen Orthodoxen Kirche. Die Bemьhungen um die Erhaltung bzw. Stдrkung des russischsprachigen Raums im Ausland gehцrt zu den auЯenpolitischen Prioritдten der russischen Fьhrung. Wir werden auch kьnftig streben, mцglichst voll das дuЯerst reiche schцpferische Potential der uns vereinenden Russischen Welt zu erschlieЯen.
17. November 2008