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Interview des Außenministers der Russischen Föderation, Sergej Lawrow, für die „Athenisch-Makedonische Nachrichtenagentur“ am 26. Oktober 2020

1818-26-10-2020

 

Frage: Welche Bedeutung hat Ihr jetziger Besuch in Athen, vier Jahr nach Ihrem vorherigen Besuch hier? Meinen Sie, dass das Feiern des 200. Jahrestags der griechischen Revolution ein Anlass für die weitere Vertiefung der russisch-griechischen Beziehungen sein wird, und in welchen Bereichen?

Sergej Lawrow: Ich freue mich, wieder Griechenland zu besuchen. Mein vorheriger Arbeitsbesuch in Athen 2016 fiel zeitlich mit der Umsetzung eines präzedenzlosen nach dem Ausmaß gemeinsamen Projekts – Russland-Griechenland-Themenjahre, deren wichtigstes Ereignis der Besuch des Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, in ihrem Land war, zusammen.

Seit dieser Zeit sind gemeinsame Themenjahre eine gute Tradition geworden. 2017-2018 wurde erfolgreich das Tourismus-Jahr, 2019-2020 das Jahr der Sprache und Literatur durchgeführt. 2021 ist das Jahr der Geschichte geplant, das mit dem Feiern des 200. Jahrestags des Beginns des nationalen Befreiungskampfes des griechischen Volks symbolisch zeitlich zusammenfällt.

Die bevorstehenden Veranstaltungen sollen ein weiteres Zeichen der Verflechtung der historischen Schicksale des russischen und griechischen Volkes sein. Es ist erfreulich, dass man sich in Ihrem Land an die Rolle Russlands beim Erhalt der Unabhängigkeit Griechenlands und Aufstellung seiner Staatlichkeit erinnert, das Andenken an das erste Staatsoberhaupt Griechenlands, Geschäftsführer des Außenministeriums des Russischen Reichs, Ioannis Kapodistrias würdigt. Ein aufopfernder Kampf des freiheitsliebenden griechischen Volkes wurde von unseren hervorragenden Dichtern vielbesungen – Alexander Puschkin, Wilhelm Küchelbecker, Kondrati Rylejew, Wassili Kapnist, Fjodor Glinka u.a.

Die Coronavirus-Pandemie wurde zu einer Herausforderung sowohl für die Wirtschaften unserer Länder, als auch für die bilaterale  Zusammenarbeit bei Handel und Investitionen. Im Zeitraum vom Januar bis Juli dieses Jahres sank der Handelsumsatz um 16,1 Prozent im Vergleich zu einer ähnlichen Periode des vergangenen Jahres. Es steht eine gemeinsame Arbeit zur Wiederherstellung zumindest des Vorkrisenniveaus bevor. Ich rechne damit, diese Thematik während der Verhandlungen mit den griechischen Kollegen zu besprechen.

Die Völker unserer Länder kamen mehrmals einander zur Hilfe. So war es auch diesmal. Wir sind den griechischen Freunden für logistische Unterstützung bei der Rückkehr der russischen Staatsbürger in die Heimat dankbar. Die Zusammenarbeit war vorbildlich, geschweige denn, dass der erste griechische Rückholflug kostenlos für die russischen Staatsbürger war – ein Dankeschön dafür. Seit März wurden mit sieben Sonderflügen aus Griechenland nach Russland mehr als 700 unsere Staatsbürger ausgeführt.

Frage: Wie ist die Position Russlands, das sich bereits zugunsten des Vorhandenseins bei den Inseln einer ausschließlichen Wirtschaftszone und Schelfs äußerste, bezüglich der provokativen Schritte und Verstöße im südöstlichen Mittelmeergebiet innerhalb des letzten Jahres seitens der Türkei - von der Unterzeichnung des türkisch-libyschen Memorandums bis zur Entsendung der türkischen Forschungsschiffe und Kriegsschiffe in die Zone des griechischen Schelfs? Diese Handlungen wurden seitens der EU und der internationalen Gemeinschaft verurteilt.

Sergej Lawrow: Die Position Russlands, das das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen 1982 unterzeichnete, basiert auf die in diesem Dokument enthaltenen völkerrechtlichen Normen. So sieht der Artikel 3 des Übereinkommens vor, dass jeder Staat das Recht hat, die Breite seines Küstenmeeres bis zur Grenze aufzustellen, die maximal zwölf Seemeilen ausmacht. Doch in einer Reihe von Fällen stellen Länder aus verschiedenen Gründen ein Küstenmeer mit einer kleineren Breite auf. Falls sich eine Frage nach der Trennung des Küstenmeeres zwischen den Nachbarstaaten stellt, soll sie gemäß dem Völkerrecht gelöst werden.

Russland tritt für die Lösung jeder Streitfragen ausschließlich via einen politischen Dialog, Ausarbeitung der Vertrauensmaßnahmen, Suche nach gegenseitig annehmbaren Lösungen auf Grundlage der Völkerrechtsnormen ein.

Frage: Wie reagierte die russische Gesellschaft auf die Umwandlung der Hagia Sophia in Istanbul in eine Moschee? Ist dieser Schritt beleidigend für die christliche und insbesondere der orthodoxen Welt?

Sergej Lawrow: Die Hagia Sophia ist ein UNESCO-Welterbe-Objekt, ein gesamtmenschliches Erbgut, hat eine ausschließliche kulturelle, historische, sakrale Bedeutung für die Orthodoxen unseres Landes und der ganzen Welt. Es ist kein Geheimnis, dass die Hagia Sophia in den Augen der russischen Staatsbürger, die die Türkei jedes Jahr besuchen, besonders wertvoll aus der geistlichen Sicht ist. Viele kommen speziell nach Istanbul, um die Kunst der Meister und Architekten, Schönheit der erhalten gebliebenen Elemente der Innenräume, Mosaiken und Fresken zu genießen.

Wir teilen den türkischen Partnern regelmäßig unsere Position zu dieser Frage mit, darunter auf der höchsten und hohen Ebene. Mehrere Erklärungen zum Status der Kirche wurden von Vertretern der Russisch-Orthodoxen Kirche gemacht.

Wir gehen davon aus, dass die türkische Seite, wie man uns mehrmals zusicherte, sich nach den Prinzipien des gegenseitigen Respektes richten, mit entsprechender Aufmerksamkeit zu den Gefühlen der Orthodoxen verhalten und die übernommenen Verpflichtungen zum Einhalten aller Regeln und Bedingungen, die mit dem Status des Objektes verbunden sind, erfüllen und seine vollständige Beständigkeit und Zugänglichkeit für Touristen und Pilger gewährleisten wird.

Wir halten die Tätigkeit der Monitoringmission des Welterbezentrums der UNESCO und des Internationalen Rats für Denkmalpflege bei der Einschätzung des Zustandes der Kirche für wichtig.

Wir hoffen, dass nach der Prüfung, die vom 5. bis 9. Oktober gemacht wurde, umgehend die Schlussfolgerungen der Kommission, darunter ein Expertenbefund bezüglich der Qualität der Restaurierungsarbeiten durch die türkische Seite sowie die Ideen zum Einhalten eines ungehinderten Zugangs zur Hagia Sophia für Vertreter aller Glaubensrichtungen vorgestellt werden.

Frage: Wie schätzen Sie die Einbeziehung der Türkei in die Konflikte in Bergkarabach, Syrien und Libyen ein?

Sergej Lawrow: Russland und die Türkei arbeiten an der Regelung der Konflikte in den von Ihnen aufgezählten Brandherden. Dabei ist kein Geheimnis, dass unsere Herangehensweisen zur Lösung mehrerer umstrittener regionaler Fragen aus objektiven Gründen sich stark unterscheiden können.

Die Normalisierung der Lage in Syrien ist ein anschauliches Ergebnis eines äußerst geschäftlichen, gegenständlichen Zusammenwirkens der russischen und türkischen Diplomaten, Militärs und Sicherheitsdienste, die auf gegenseitiger Berücksichtigung der Interessen ruht. Dank unseren Vereinbarungen, die sowohl im bilateralen, als auch im dreiseitigen (unter Teilnahme Irans) Format erreicht wurden, wurde der bislang lebensfähigste Astana-Regelungsmechanismus ins Leben gerufen. Gerade ein aktives Zusammenwirken unserer zwei Länder ließ den Waffenstillstand in Syrien ausrufen, Deeskalationszonen sowie den Verfassungsausschuss schaffen. In solchen Problemzonen Syriens wie Idlib und Trans-Euphrat-Gebiet, wurde ein gemeinsames russisch-türkisches Patrouillieren, das eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit dort spielt, aufgenommen. Eine gemeinsame Arbeit zur Neutralisierung der Terrorgruppen schafft Voraussetzungen zur Fortsetzung des politischen Prozesses, Rückkehr der syrischen Flüchtlinge in die Heimat.

Zurzeit leisten russische und türkische Experten Beitrag auch zur Versöhnung der sich gegenseitig bekämpfenden Seiten in Libyen. Mit gemeinsamen Anstrengungen wurde die Wiederherstellung des Waffenstillstandes sowie Wiederaufnahme der Tätigkeit der wichtigsten Branche der Wirtschaft des Landes – Ölbranche erreicht. Wir arbeiten weiterhin an der Annäherung der Verhandlungspositionen der sich gegenseitig bekämpfenden Seiten im Interesse des Starts der politischen Reformen auf Grundlage der Resolutionen des UN-Sicherheitsrats und Beschlüsse der Berliner Konferenz.

In der Geschichte um Bergkarabach hat die Einbeziehung Russlands und der Türkei ihre Besonderheiten. Wir verheimlichen nicht, dass wir die Position über die Möglichkeit und Zulässigkeit einer militärischen Lösung dieses Problems nicht unterstützen. Indem man beide Völker – das armenische und aserbaidschanische – als befreundet und Brudervölker betrachtet, können wir solche Bestrebungen nicht teilen. Zugunsten einer ausschließlich politischen Regelung äußersten sich eindeutig die Präsidenten Russlands, der USA und Frankreichs als Kovorsitzenden der Minsker Gruppe der OSZE.  Gerade die Troika der Kovorsitzenden gilt als allgemein anerkanntes Format der Vermittlung im Rahmen der Überwindung dieses langen Konfliktes.

Am 10. Oktober dieses Jahres wurde nach 11 Stunden dauernden Konsultationen von Außenministern Russlands, Aserbaidschans und Armeniens unter Teilnahme der Vertreter der USA und Frankreichs die Abstimmung einer Gemeinsamen Erklärung, die den Waffenstillstand und Wiederaufnahme der maximal inhaltsreichen Verhandlungsprozesses vorsieht, erreicht. Wir überzeugen die türkischen Partner von der Zweckmäßigkeit, ihren Einfluss im Interesse der Unterstützung solchen Kurses zu nutzen. Man führte eine Reihe von Telefongesprächen zum Thema Bergkarabach mit dem Außenminister der Türkei Mevlüt Cavusoglu.

Wir rufen alle externen Akteure dazu auf, alles zu machen, um eine weitere Entfachung eines militärischen Szenarios nicht zuzulassen, die Emotionen der Seiten beizulegen, die Arbeit zur Schaffung der Bedingungen für den Neustart des Friedensprozesses zu intensivieren.

Frage: Was bedeutet der Beschluss der Türkei über die Öffnung des Küstengebiets bei Varosia? Wird das die Lösung des Zypern-Problems erschweren?

Sergej Lawrow: Die Kommentare dazu, mit welchem Ziel der Beschluss über die Öffnung des Strandes um Varosia getroffen wurde und was er bedeutet, sollten bei jenen gebeten werden, die diesen Beschluss trafen.

Ein solcher Schritt löste natürlich unsere ernsthafte Besorgnisse aus, weil er erstens mehreren Resolutionen des UN-Sicherheitsrats 414 (1977), 482 (1980), 550 (1984), 789 (1992) und 2483 (2019) widerspricht und zweitens – jede einseitige Handlungen stören bei der Bildung einer konstruktiven Atmosphäre und bereiten zusätzliche Schwierigkeiten bei der Wiederaufnahme des Verhandlungsprozesses über die endgültige Regelung dieses alten Problems.

Wie bekannt, wurde am 9. Oktober unter unserem Vorsitz eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats einberufen, auf der die Erklärung des Vorsitzenden des UN-Sicherheitsrats erläutert wurde. Die Russische Föderation als ständiges Mitglied des Rats hält an den von der Organisation gebilligten Parametern der Regelung weiterhin fest und ist bereit, bei ihrer Umsetzung Unterstützung zu leisten. Wir rechnen damit, dass nach dem Ende der Wahlverfahren im Norden Zyperns und Normalisierung der sanitär-epidemiologischen Lage auf der Insel die Seiten erneut an den Verhandlungstisch zurückkehren und nach gegenseitig annehmbaren Lösungen suchen werden. Dies soll die Stabilisierung der Situation, Aufstellung des Friedens und Sicherheit in der Region fördern.

 

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