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Rede des Ständigen Vertreters Russlands bei der OSZE, Alexander Lukaschewitsch, auf einer Sitzung des Ständigen Rates der OSZE zur Lage in der Ukraine und zur Notwendigkeit der Einhaltung der Minsker Abkommen, am 14. November 2019 in Wien

2360-18-11-2019

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

der anhaltende Rückzug von Kräften und Waffen in den Ortschaften Solotoje und Petrowskoje gibt Anlass zu vorsichtigem Optimismus.  In diesem Zusammenhang hören wir auf verschiedenen Ebenen schmeichelhafte Bemerkungen über Kiew.  Seine Schritte werden fast so dargestellt, als wären sie Zugeständnisse an die Miliz in Fragen der Deeskalation.  Doch alles, was Kiew so eifrig zugeschrieben wird, ist nichts anderes, als die Behebung von Verstößen, die durch das ukrainische Militär verursacht waren.  Wie Sie sich vielleicht erinnern, hat das ukrainische Militär nach dem Rückzug, der 2016 in diesen Gebieten stattfand, dort neue Kampfpositionen geschaffen und verstärkt.  Wichtig ist, dass die zurückgezogenen Einheiten nicht in der Lage sein sollten, schnell zu ihren aufgegebenen Positionen zurückzukehren, wie dies 2018 der Fall war.  Wir hoffen, dass die nächsten Phasen der Entflechtung, einschließlich dem Abbau von Fortifikationen und der Minenräumung, gemäß dem in der Kontaktgruppe vereinbarten Zeitplan durchgeführt werden und dann von der OSZE-Sonderbeobachtermission (SMM) verifiziert werden, was zu dem Schluss führen wird, dass der Rückzug in drei Pilotgebieten erfolgreich abgeschlossen wurde und weitere Bereiche diskutiert und vereinbart werden können.

Wir rufen Kiew dazu auf, die Überwachung in den Rückzugsgebieten nicht zu behindern, auch nicht durch die technischen Überwachungsinstrumente der SMM, wie dies am 10. und 11. November der Fall war, als das vom ukrainischen Militär kontrollierte UAV-Signal der Mission in der Nähe der Ortschaft Bogdanowka unterdrückt wurde oder als Anfang November in der Nähe der SMM-Kamera im Dorf Luganskaja Stacheldraht verlegt wurde.

Wir fordern Kiew erneut auf, seinen in der Kontaktgruppe vereinbarten Verpflichtungen verantwortungsbewusst nachzukommen.  Es ist jetzt wichtig, dafür zu sorgen, dass es in den Gebieten keine bewaffneten Personen gibt, die gegen den Waffenstillstand verstoßen können. Ihre Anwesenheit dort könnte den Zweck des Rückzugs in Donbass zunichtemachen.

Wir möchten auf die Aussage des US-Beauftragten für die Ukraine, William Taylor, während einer Reise als Teil einer Gruppe von Botschaftern in die Ortschaft Solotoje am 7. November aufmerksam machen.  Ihm zufolge sollte die ukrainische Polizei und Nationalgarde nach dem Abzug des ukrainischen Militärs aus diesem Rückzugsgebiet nach Solotoje gebracht werden.  Ziel des Rückzugs ist es jedoch, jede Möglichkeit des Einsatzes von Waffen jeglicher Art in diesen Gebieten auszuschließen.  Mit dieser Provokation wird versucht, gegen die Minsker Abkommen mit Donezk und Lugansk zu verstoßen, was darauf hindeutet, dass die Vereinigten Staaten daran interessiert sind, die Instabilität im Land aufrechtzuerhalten und nicht an der Lösung der destruktiven innerukrainischen Krise.

Die wahren Ziele der Stärkung der militaristischen Stimmung in der Ukraine zeigt die jüngste Aussage von US-Außenminister Pompeo in seinem Interview mit WCSC-TV.  Er sagte, dass die Vereinigten Staaten den Ukrainern echte Waffen gaben, damit sie gegen die Russen kämpfen konnten („gave them real weapons where they could fight against the Russians“).  Dies kann als Propaganda des Krieges und der Aufstachelung zum ethnischen Hass betrachtet werden, die grob gegen Geist und Buchstaben der UN-Charta, die Bestimmungen einer Reihe von internationalen Übereinkommen und andere Verpflichtungen verstößt.  Man sollte sich auch der Folgen solcher Aussagen und der potenziellen Zunahme von Spannungen, Gewalt und Todesfällen bewusst sein.

Die Stagnation bei der politischen Lösung der innerukrainischen Krise hält an.  Trotz der Tatsache, dass die Steinmeier-Formel zum Verfahren zur Verabschiedung des Donbass-Sonderstatusgesetzes in der Kontaktgruppe koordiniert wurde, hat die ukrainische Regierung keine konkreten Schritte zur Umsetzung in nationales Recht unternommen.  Das Sonderstatusgesetz ist noch nicht in Kraft getreten und läuft am 31. Dezember aus.

In diesem Zusammenhang versucht Kiew, den Schwerpunkt der Diskussionen über die Hauptfragen auf das Normandie-Format zu verlagern, obwohl die Verlängerung des Gesetzes über den Sonderstatus und seine Formalisierung in der Verfassung der Ukraine im Rahmen eines direkten Dialogs mit Donezk und Lugansk koordiniert werden sollte, wie im Minsker Maßnahmenpaket festgelegt.  Es wurden keinerlei Fortschritte in Bezug auf eine Amnestie für die Teilnehmer der Ereignisse in Donbass, die Festlegung der Modalitäten für Kommunalwahlen usw. erzielt.

Bisher hören wir eine andere Art von Rhetorik aus Kiew.  Viele der von den derzeitigen Kiewer Behörden angesprochenen Thesen, darunter eine Einigung in Donbass, außenpolitische Prioritäten und Sprache, religiöse, kulturelle und viele andere Rechte der ukrainischen Bürger, haben sich als die gleiche Narration erwiesen, für die sich die Regierung von Präsident Poroschenko ohne Rücksicht auf die öffentliche Meinung aktiv eingesetzt hat.  Die rücksichtslose und diskriminierende Politik der früheren Kiewer Behörden führte bei den diesjährigen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu atemberaubenden Veränderungen.  Wladimir Selenski und seinem politischen Willen wurde ein beeindruckendes Vertrauensmandat erteilt, vor allem in Bezug auf das Streben nach Frieden in Donbass und die Lösung der gesellschaftspolitischen Krise im ganzen Land.

Die Menschen haben jedoch keine schnelle Bewegung in Richtung Frieden gesehen. Dies hat sich negativ auf die öffentliche Unterstützung für die derzeitigen ukrainischen Behörden ausgewirkt, wie die jüngsten Umfragen des Rasumkow-Zentrums zeigen. Laut den Umfragen glauben weniger Ukrainer, dass sich das Land in die richtige Richtung bewegt. Die Zahl der Kiewer Anhänger ist in den letzten zwei Monaten um 20 Prozent auf 37 Prozent gesunken. Die Bevölkerung ist besorgt darüber, dass die neuen Behörden weiterhin auf viele der diskriminierenden Praktiken der früheren Behörden zurückgegriffen haben.

Die anhaltenden Einschränkungen der Meinungsfreiheit in der Ukraine sind alarmierend. Die Medien und ihre Mitarbeiter, die es wagen, der offiziellen Meinung zu widersprechen, werden offiziell unter Beschuss genommen. Ende Oktober leitete der ukrainische Sicherheitsdienst (SBU) zwei Strafverfahren gegen den russischen Journalisten Wladimir Solowjow wegen seiner Aussagen im Fernsehen ein. Präsident Selenski erließ am 8. November eine Anordnung, um die Regierung anzuweisen, bis Ende des Jahres "Bestimmungen über Nachrichtenstandards und -anforderungen" auszuarbeiten. Es ist Zensur pur.

Die Morde an vielen Journalisten sind nach wie vor ungeklärt. In einem besonders zynischen Schachzug wurde der stellvertretende Innenminister der Ukraine, Anton Geraschtschenko, mit den Beziehungen zu den Medien und der Sicherheit der Journalisten betraut. Ich möchte Sie daran erinnern, dass Herr Geraschtschenko 2014 die berüchtigte Website Mirotvorets ins Leben gerufen hat und dass diese Website, die auf US-Server verschoben wurde, weiterhin die personenbezogenen Daten ukrainischer und internationaler Reporter veröffentlicht. Diese Daten werden häufig verwendet, um die Berufstätigkeit der Journalisten und die Freizügigkeit einzuschränken. Einige der Journalisten auf den Listen von Mirotvorets, wie z.B. Oles Busina, wurden getötet, und die Schuldigen wurden nicht festgenommen.

Darüber hinaus verabschiedete der Dritte Ausschuss der UN-Generalversammlung am 7. November einen Resolutionsentwurf zur Bekämpfung der Verherrlichung des Nazismus, der in diesem Jahr von 61 Staaten mitverfasst wurde. Bis zu 121 Staaten stimmten dafür, und nur zwei Länder - die Vereinigten Staaten und die Ukraine - stimmten dagegen. Diese destruktive Position der Ukraine ist bedauerlich im Zusammenhang mit den jüngsten Ausbrüchen des aggressiven ukrainischen Nationalismus im einst ruhigen Odessa. Die Straffreiheit ermutigt radikale Nationalisten, neue Akte der öffentlichen Einschüchterung zu inszenieren. Die ukrainischen Behörden schüren solche Vorfälle, indem sie Initiativen für eine energischere Untersuchung der Tragödie, die sich am 2. Mai 2014 im Gewerkschaftshaus in Odessa ereignet hat, blockieren. Sie geben vor, die Bedenken mehrerer internationaler Institutionen, darunter des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (OHCHR) und des Internationalen Beratungsgremiums des Europarats, nicht zu hören. Dutzende friedlicher Demonstranten wurden in Odessa lebendig verbrannt, und die Organisatoren, Anführer und Haupttäter wurden noch nicht identifiziert. Dies ist ein Beweis für den destruktiven Weg der Ukraine.

Abschließend möchte ich sagen, dass der Weg zum Frieden in der Ukraine über die zivile Aussöhnung und die garantierte Achtung der Rechte aller ukrainischen Bürger unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Sprache oder Religion gehen sollte. Ein dauerhafter Frieden in der Ostukraine kann nur durch den Dialog zwischen Kiew und Donezk und Lugansk auf der Grundlage gegenseitiger Achtung erreicht werden, der die wesentliche Voraussetzung für die vollständige Umsetzung aller Bestimmungen des am 12. Februar 2015 angenommenen und von den Vereinten Nationen gebilligten Minsker Maßnahmenpakets ist. Die ukrainischen Behörden sollten eine vernünftige Strategie für eine friedliche Lösung verfolgen, anstatt Erklärungen über den möglichen Rückzug der Ukraine aus den Minsker Abkommen abzugeben, die Außenminister Wadim Pristajko heute in einem Interview mit der BBC abgegeben hat. Die Entscheidung für eine zivile Einigung und eine friedliche Zukunft liegt ganz in den Händen von Kiew.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

 


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